Ich möchte dieses neue Blog über Kultur und Web 2.0 mit einem Artikel über Musik und das Internet beginnen. Musik ist einfach das Feld ist, in dem ich mich persönlich am meisten bewege.
In der Musikwelt hat sich in den letzten Jahren Grundlegendes verändert. Was genau, gilt es zu diskutieren. Die Öffentliche Wahrnehmung, und damit versuche ich jetzt den Blick eben nicht nur auf den internetaffinen Social-Media-Plattform-Nutzer zu richten, wird leider immer noch von Trauermeldungen der „untergehenden Musikindustrie“ bestimmt. Auf der Webseite des Bundesverband Musikindustrie wird, prominent positioniert, die Zahl der illegalen Downloads jede Sekunde nach oben gezählt. Das sind immerhin 10 pro Sekunde und insgesamt zum jetztigen Zeitpunkt (28.07.10) 180 Millionen seit 01.01.2010.
Doch was genau will man uns damit sagen? Der Zähler ist weder verlinkt, noch findet man gleich irgendeinen Text, der uns etwas dazu vermittelt. Die Wirkung ist emotional und meiner Meinung nach haben solche Vorgänge zu einer Spaltung der Lager, mit der wir jetzt konfrontiert sind, beigetragen. Je nachdem mit welcher Grundeinstellung man sozialisiert ist, findet man entweder die Musikindustrie oder die, die illegal Songs aus „dem Netz“ laden, zum Kotzen. Eine etwas von der Emotion losgelöste Diskussion über die Vorgänge findet in den letzten Jahren immer nur häppchenweise statt und ich muss gestehen, auch mir fällt es schwer.
So finde ich folgende Aussage von Dieter Gorny, Vorstandsvorsitzender und öffentlich am meisten wahrgenommene Person des Bundesverbandes Musikindustrie, bemerkenswert:
Herr Gorny, hat die Musikindustrie einen Kulturauftrag?
…(Pause)… Sie sehen: Ich schweige.
Es war ja auch nur eine rhetorische Frage.
Dann antworte ich ebenso rhetorisch mit ›Jein‹. Ja, sie hat ihn, weil man zurecht erkennen muss, dass alle Branchen der sogenannten Kreativwirtschaft theoretisch einen solchen Kulturauftrag haben. Und sie hat ihn nicht, da ›Handel‹ etwas meint, was nach Beendigung der kreativen Leistung erfolgt, nämlich die möglichst maximale Gewinnschöpfung für in diesem Falle Kulturgüter auf dem freien Markt. Es mag also paradox scheinen, dass Inhalte, die unser gesellschaftliches Leben reflektieren und mitgestalten, auch Wirtschaftsgüter sind. Aber so ist es nun einmal. Interessanterweise funktioniert das Wechselverhältnis traditionell am besten bei den Tageszeitungen: Hier wünschen sich die festangestellten Mitarbeiter sehnlichst den wirtschaftlichen Erfolg ihres Blattes am Markt – und gleichzeitig kämpfen
sie erbittert und in vorderster Front gegen ihren Verleger, sobald dieser versucht, von der Werbewirtschaft finanzierte Inhalte als Schleichwerbung in die Zeitung zu drücken.Quelle: Dieter Gorny im Interview: Ist Musik eine Ware wie Fischmehl oder Schrauben?
Dieter Gorny im Interview mit Max Dax von der Musikzeitschrift Spex.
Interessant finde ich diese Aussage nicht nur, weil Dieter Gorny dieser zentralen Frage mit einem Verweis auf Andere entschwindet, sondern weil ich hier kein klares „JA“ vernehme. Er sprich von einer Theorie, die man zurecht anerkennen muss und daß die „sogenannte“ Kreativwirtschaft einen Kulturauftrag hat und letztenendes geht es dann doch nur um den Handel, ja mit Kulturgütern. Ein Kulturauftrag ergibt sich daraus also nicht zwingend.
Ich jedenfalls wünsche mir, die Musikindustrie würde ihren Kulturauftrag nicht nur einseitig annehmen und sich z.B. mit der Unterstützung der Musikförderprojekte, beginnend auf unterster Ebene und unter Nutzung der Social-Media-Kanäle, wieder ihren potentiellen Kunden annähern.
Musik ist ein Kulturgut und mit „Gütern“ läßt sich handeln, um es mit den Worten von Dieter Gorny auszudrücken: Das ist nun mal so. Wenn wir über Chancen reden, dann ist das Bekennen zum Kulturauftrag wohl die größte. Ich bin es jedenfalls Leid mich seelisch und moralisch in eines dieser Lager gedrängt zu fühlen, das Miteinander finde ich tausendfach besser!