Vom 25. bis 27. Juni tagte in Berlin die GEMA-Hauptversammlung. Den Auftakt bildete am Montag die Aussprache zwischen den außerordentlichen und angeschlossenen Mitlgiedern aller Berufsgruppen, der dann die Delegiertenwahl nach Berufsgruppen getrennt folgte.
Die GEMA ist nach Berufs- und Statusgruppen organisiert. Volles Stimmrecht haben automatisch alle ordentlichen Mitglieder. Da die GEMA grundsätzlich Inkasso und Tarifverhandlungen für alle Musikurheber übernimmt, steht sie folglicherweise auch allen Angehörigen dieses Personenkreises offen. Damit jedoch die Masse an nebenberuflichen Urhebern bzw. Hobbyisten nicht die Existenzgrundlagen der hauptberuflichen Komponisten und Textdichter bestimmen, gibt es eine Hierarchie. Ordentliches Mitglied wird man auf Antrag, wenn man innerhalb von fünf Jahren mindestens 30.000 Euro Tantiemen in einer Berufssparte (Komponist, Textdichter oder Verlag) bezogen hat. Die Hürde ist also sehr niedrig angesetzt – 6000 Euro Jahreseinkommen sind deutlich unter der Armutsgrenze. Damit jedoch umgekehrt die Interessen der übrigen Urheber nicht von den ordentlichen bestimmt werden, entsenden die angeschlossenen und außerordentlichen Mitglieder jedes Jahr Delegierte in die Hauptversammlung, die dann selbstverständlich ebenfalls mit vollem Stimmrecht ausgestattet sind. Dieses Jahr waren es erstmals 64 Delegiertenplätze, deutlich mehr als die bisherigen 38. Die Berufsgruppe der Komponisten entsendet 32, die Textdichter entsenden 12 und die Verleger die restlichen 20 Vertreter.
Vor der Wahl erfolgte aber wie gesagt erst die Aussprache. und es zeigte sich, daß vor allem ein Thema die Gemüter bewegte: die anstehende Reform des Verteilerschlüssels in der Sparte der Aufführungen U – d.h. in die Sprache der normalsterblichen übersetzt: Konzerte. Das bisherige PRO-Verfahren sollte nach Antrag 28 der Tagesordnung durch das neue Verfahren INKA ersetzt werden. Wichtigste Änderungen sind ein stärkerer Inkassobezug, eine Ausweitung der M-Zuschläge von 50 auf 100 Aufführungen und die Einführung von automatischer Direktvergütung bei Inkasso oberhalb von 500 Euro. Ich entschuldige mich an dieser Stelle für das Bürokratendeutsch. GEMA-Mitglieder werden wissen, was gemeint ist, und den übrigen kann ich nur die Daumen drücken, daß sie mir halbwegs zu folgen vermögen.
In Zukunft werden Veranstaltungen nach Inkassoaufkommen sortiert. Hier werden dann Sparten gebildet, die sich in zwei Klassen unterteilen lassen: „unteres“ und „oberes Inkasso“. Das untere (für uns Undergroundkünstler notgedrungen interessantere) Inkasso teilt sich in acht Sparten auf, die sich in engen Schritten vom Mindestinkasso (Sparte eins) bis zum Inkasso zwischen 350,01 und 500 euro (Sparte acht) staffeln. Jede dieser Sparten bildet nun einen eigenen Topf, aus dem wie gehabt gemeinschaftlich ausgeschüttet wird. Dabei wird für jede Sparte natürlich nur die Werknutzung der jeweiligen Veranstaltungen ermittelt. Eine Wichtung wie im PRO-Verfahren fällt weg. Es wird also exakter ermittelt, wie oft ein Werk genutzt wird, was sehr zu begrüßen ist. Der Nachteil liegt ebenfalls auf der Hand: durch die enge Bemessung der Sparten fällt die Subvention der Werke mit niedrigem Inkasso weg. Wessen Werk oft aufgeführt wird, aber stets nur bei Konzerten, deren Veranstalter wenig Gebühren zahlen, der bekommt entsprechend weniger als Urheber von Werken in den Sparten sieben oder acht. Im oberen Inkasso hingegen wird nicht mehr gemeinschaftlich ausgeschüttet, sondern nach Veranstaltung. Die bisherige Möglichkeit der Direktverrechnung bei Inkasso oberhalb von 750 Euro wird nun also obligatorisch und zwar schon bei Inkassobeträgen von mehr als 500 Euro. Die grundsätzliche Möglichkeit der Direktverrechnung bei mehr als 80% eigener Werke bleibt nach wie vor in allen Bereichen bestehen, ist nun aber theoretisch nicht mehr von Vorteil.
Der Wegfall der Subvention ist ärgerlich, jedoch sei nicht verschwiegen, daß an anderer Stelle der Solidargedanke ausgeweitet wurde: nun gibt es den für alle Inkassosparten gleichen M-Zuschlag nicht mehr nur für 50, sondern für bis zu 100 Aufführungen auch ohne gemessenes Airplay von mehr als 2 Minuten pauschal. Und da mit INKA jede Aufführung auch als Aufführung zählt, dürfte sich hier das Tantiemenaufkommen für „kleine“ Künstler deutlich steigern.
INKA wurde in der Aussprache trotzdem sehr skeptisch bewertet. Kritik erntete vor allem die Auffangsparte 0, in der alle Aufführungen landen, denen kein konretes Inkasso zugeordnet werden kann, sei es wegen Rabbattierung oder wegen Pauschalverträgen. Völlig unklar ist, wie viele Aufführungen das betrifft und wie hoch das Inkasso dort im Durchschnitt ist. Befürchtet wird, daß es sehr viele Aufführungen betrifft und natürlich ist abzusehen, daß das Inkasso in der Sparte 0 selbstverständlich unterdurchschnittlich ist. Entsprechend sprachen sich sehr viele Wortbeiträge gegen INKA aus bzw. forderten handfeste Simulationsrechnungen vor der Abstimmung.
Ein weiteres Thema war die Außenwirkung der GEMA. Mit Sorge und ein bißchen ratlos wurde festgestellt, daß den massiven Kampagnen der Tarifpartner (allen voran DeHoGa und Google/Youtube) mehr Aufklärungsarbeit entgegengesetzt werden solle. Ein Rezept konnte aber niemand skizzieren. Der konkreteste Vorschlag war, Zahlenmaterial besser aufbereitet zur Verfügung zu stellen. Daß gegen populistisches Desinteresse daran hingegen nichts auszurichten ist, war allen klar, und so köchelte das Thema zwar in Redebeiträgen immer mal wieder auf, wurde jedoch nicht wirklich ausdiskutiert.
Ebenso die Diskothekenreform. Ein DJ meldete sich zu Wort und erläuterte seinen Interessenskonflikt als Interpret und Urheber. Allerdings kam hier im individuellen Stimmungsbild eindeutig der Interpret durch, was wohl nicht zuletzt daran liegen dürfte, daß man auch von einem spärlichen DJ-Honorar noch weitaus besser leben dürfte, als von Tantiemen aus der unterfinanzierten Sparte DK.
Nach einer dreiviertelstündigen Überziehung wurde dann kurz pausiert. Die Versammlung trennte sich nach Berufsgruppen und die Delegiertenwahl begann. Zuvor wurde noch im Schnelldurchlauf der Geschäftsbericht runtergerockt. Die folgenden Wahlen standen unter enormen Zeitdruck. Allein die Vorstellung der rund 70 Kandidaten dauerte über eine Stunde – trotzdem hatte jeder nur wenige Sekunden Zeit, ein paar Worte ins Mikro zu murmeln. Die Wahl der Rechtsnachfolger wurde gleich im Block abgefrühstückt – es gab ohnehin nur 7 Kandidaten auf die 12 Plätze, was die Zahl der übrigen Delegierten folglich auf 25 erhöhte. Es gab nach der Blockwahl insgesamt drei weitere Wahlen (Delegierte der Komponisten für die Hauptversammlung, 5 Stellvertreter dieser Delegierten und ein Delegierter für den Wertungsausschuß) mit je drei Wahlgängen. Trotz elektronischem Gadget war das eine langwierige Angelegenheit und streckenweise lagen die Nerven blank.
Nun möchte ich nicht mit den Details langweilen. Erwähnenswert dürfte sein, daß Bruno Kramm auf der Kandidatenliste stand, jedoch wegen Nichtanwesenheit nicht aufgestellt wurde. Seine Kandidatur ist übrigens besonders bemerkenswert, weil Kramm in den Medien mit der Behauptung zitiert wird, er habe über die GEMA lediglich zwei Euro und ein paar cent eingenommen. Voraussetzung einer Kandidatur ist jedoch ein Minimum von 50 Euro innerhalb der letzten zwei Jahre. Seltsam.
19 Uhr sollte eigentlich das Mitgliederfest beginnen. Da waren wir noch immer mitten in der Wahl. Zwischendurch erreichten in kurzen Abständen die Berichte über die Anti-Gema-Kundgebung Dr. Mottes. Die erste Meldung verdutzte selbst die größten Schwarzmaler, sprach sie doch von „erwarteten 5000 linksextremen, teils gewaltbereiten Autonomen“, eine zweite Meldung ein paar Minuten später korrigierte das zu allgemeinen Erheiterung auf „rund 500 friedlich tanzende Menschen“. Soweit ich gehört habe, stimmte dann auch letzteres. Bis auf bespuckte Shuttlebusse soll es wohl keine Zwischenfälle gegeben haben. Angenehm ist das natürlich trotzdem nicht.
Nach der Wahl bzw. schon in den letzten Wahlgängen setzte dann auch ein eiliger Exodus ein. Nicht jeder wollte zum Mitgliederfest, viele hatten auch einfach eine Bahn für die Heimfahrt zu erwischen. Im nächsten Jahr soll die Aussprache deswegen bereits eher beginnen. Da die Fahrt nach Leipzig auch nicht eben kurz ist, machte ich mich dann leider ohne Rast am Buffett ebenfalls auf die Socken, nicht ohne aber ein paar Delegierten noch meine Meinung zu INKA mit auf den Weg zu geben. Gestern bekam ich das Feedback: INKA wurde mit rund 75% Mehrheit angenommen, allerdings bleibt es in der Diskussion und ist offen für Anpassungen, wenn es Erfahrungswerte gibt.
Also, nächstes Jahr wieder! Und allen daheimgebliebenen kann ich nur sagen: auf die GEMA schimpft es sich leicht. Bewegung braucht Einsatz!