Könnte ich jetzt auf ein Studium der Kulturwissenschaften zurückblicken, wüsste ich meine Vorstellungen vielleicht noch besser einzuordnen. Da dies aber nicht so ist, bleibt es erst einmal nur bei einem Zusammenziehen verschiedener Ideen, die ich hier gern zur Diskussion stellen möchte.
Auf der Plattform buisness-wissen.de wird von Anne M. Schüller eine neue Form der Mitarbeiterführung skizziert, die in Zukunft unumgänglich sei. Die immer größer werdende Gruppe der „Digital Natives“ und die Implementierung von Social Media in Kommunikation, Medien und Marketing in der Businesswelt bringe dabei eine neue Form von Mitarbeiter/in hervor, welche auch eines neuen Selbstverständnisses von Mitarbeiterführung bedarf.
„Digital Natives“ wollen nicht durch Anweisungen oder Kontrolle geführt werden. Für sie zählen Autonomie, Gleichrangigkeit und Selbstorganisation.
Die Führungskraft im Zeitalter von Web 2.0 habe daher neben den bisherigen Funktionen Mitarbeiter zu führen, Prozesse zu managen, Fachkraft auf einem Gebiet, Mitarbeiter/in nach oben, Repräsentant/in nach außen, Vorbild nach innen und eben natürlich noch Mensch zu sein, zusätzlich „die Rolle des „Katalysators“, des Moderators, des Koordinators und Möglichmachers„, bzw. der Moderatorin, der Koordinatorin und der Möglichmacherin.
Interessant ist, dass an dieser Stelle Parallelen zu Alphabetisierung erkennbar werden. In der Wikipedia wird im Artikel über die Alphabetisierung Jürgen Osterhammel: Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts mit folgenden Worten zitiert:
„Eliten reagierten auf Massenalphabetisierung widersprüchlich: Auf der eine Seite erschien die Aufklärung des «einfachen Volkes» […] als «Zivilisierung» von oben, Durchsetzung der Moderne und Förderung nationaler Integration. Auf der anderen Seite gab es weiterhin Misstrauen, das freilich mit der Zeit überall abnahm, gegenüber der kulturellen Emanzipation der Massen, die zugleich – Arbeiterbildungsvereine zeigen dies schnell – mit Forderungen nach sozialer und politischer Besserstellung verbunden war. Diese Misstrauen der Besitzer von Macht und Bildung war nicht unberechtigt. Alphabetisierung, also die «Demokratisierung» des Zugangs zu schriftlicher Kommunikationsinhalten, führt in der Regel zu Umschichtungen in Prestige- und Machthierarchien und eröffnet neue Möglichkeiten des Angriffs auf die bestehende Ordnung.“
Allgemein wird die Verbreitung der Lesefähigkeit als wichtige Voraussetzung zur Verbreitung der Aufklärung beschrieben.
Immanuel Kant zur Frage: Was ist Aufklärung?
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.
Die immer größer werdende Gruppe der „Digital Natives“, die von Anne M. Schüller in dem Artikel über die neuen Führungskräfte beschrieben wird, ist es bereits gewohnt sogar so weit ihres eigenen Verstandes zu bedienen, nicht nur selbst zu denken, sondern auch oder gerade in den immer komplexeren Strukturen selbst zu entscheiden.
In Unternehmen sei dabei über regelmäßige Feedbackschleifen eine schnelle Fehlerlernkultur möglich, was ein zügiges Voranschreiten der Projekte sichere. Die Kommunikation laufe dabei unkompliziert, offen, ehrlich und vertrauensvoll ab. Interessant ist dabei die Gegenüberstellung des alten und des neuen Führungsstils:
Während beim alten Führungsstil Projekte ständig stocken, weil auf Entscheidungen von der oberen Unternehmensebene gewartet werden muss, ist das Vorgehen hier eher durch Schnelligkeit und Agilität gekennzeichnet.
Ich finde diese Beobachtungen insgesamt sehr spannend. Müssen wir mit dem Beginn des 21. Jahrhunderts eine neue Epoche in der Aufklärung ergänzen? Zuletzt könnte man sogar noch diese Überlegungen in ihrer ganzen Größe weiterdenken und fragen, was das alles für die Führungsfrage des Unternehmens Staat bedeuten könnte. Dass die Entwicklung der Digitalisierung noch sehr viel Spielraum bietet, ist klar. Zum Beispiel scheint zum jetzigen Zeitpunkt Liquid Feedback so gesehen vielleicht noch nicht die richtige Software zu sein, aber bereits die richtige Richtung von Idee.