Dresden. Im Kindergarten fahren zwei kleine Mädchen um die Wette Roller. Die mit dem kleinen aber dennoch deutlich sichtbaren Vorsprung meint am Ende zur anderen: „Ich bin Ersta.“. Daraufhin erwidert das andere Mädchen mit natürlicher Bestimmtheit: „Also haben wir beide gewonnen!“ und strahlt.
Auch ich habe mich gefreut, als ich dieses kleine Wettrennen heute Morgen miterleben durfte. Alles ist halt irgendwie Ansichtssache und ein gesundes Selbstbewußtsein hat noch niemanden in seiner Entwicklung geschadet. Gerade für Kinder ist das wichtig und wir alle, die wir größer und in vielen Dingen gegenüber einem fünfjährigen Kind zumindest körperlich bevorteilt sind, sollten darauf achten. Wie ist das aber bei uns Großen? Eigentlich nicht anders, finde ich.
Beides, das mit der differenzierten Ansichtssache und das mit dem gesunden Selbstbewußtsein, erinnert mich an die eben veröffentlichte Studie „Ostdeutschland 2020“ der Friedrich-Ebert-Stiftung. Darin wurden 122 Experten der Neuen Bundesländer und dem Bund befragt, die nicht nur durch die regionale Zugehörigkeit selbst betroffen sind, sondern als Vertreter aus dem Bereich Politik, Banken und Sparkassen, Wirtschaft oder Wirtschaftsförderung auch inhaltlich. Geantwortet haben 55.
Brandenburg: 7
Mecklenburg-Vorpommern: 8
Sachsen: 11
Sachsen-Anhalt: 14
Thüringen: 7
Bund: 7
Nicht bekannt: 1Landes- und Bundespolitiker 7
Kommunale Institutionen & Politiker 12
Regionale Wirtschaft, Unternehmen 10
Kammern, Wirtschaftsförderung 18
Banken, Sparkassen 5
Sonstige 3
Welches Ergebnis würde bei dieser Konstellation schon erwarten? In der Zusammenfassung der Studie heißt es, 57 Prozent befürworten einen Solidarpakt III, 43 Prozent sprechen sich nicht dafür aus. In einem von der dpa übernommen Artikel auf dnn-online wird dann daraus auch mal die Mehrheit:
Die Mehrheit der Experten hält nach Auslaufen des Solidarpakts II im Jahr 2019 eine Ost-Sonderförderung durch den Bund für nötig.
Faktisch sind 57 Prozent die Mehrheit, aber eigentlich ist genau das eine Frage der Ansichtssache, weil die Auswertung von Daten immer auch einer Interpretation unterliegen. Ich finde 57 Prozent unter diesen Befragten eher wenig. Ich will nicht mutmaßen, was und wie man das vorliegende Datenmaterial noch hätte auswerten können, dafür finde ich die Fragestellung auch nicht wichtig genug. Vielmehr aber möchte ich meine Verwunderung ausdrücken, dass es eine auf diese Weise angefertigte Studie überhaupt gibt. Eine Studie, die mit so groß verwendeten Worten wie „Ostdeutschland“ kulturell die Trennung, die ich in meinem Alltag eigentlich schon vergessen hatte, am Leben erhält. Ich dachte darüber wären wir hinweg.