Vergangen Sonntag wurde ich von Fidel (Gregor Schäfer) und Torsten Philipp zu einer Sendung auf Coloradio eingelanden. Ebenfalls zu Gast waren Grit Ruhland (bildende Künstlerin), Anja Przybilla (Anwältin u.A. für Medien- und Urheberrecht) und Rajko Aust (Musiker, Pirat). Thema der Sendung war die Evolution von Urheberrecht, der ein Versuch von Praxisbezug und der Ausblick auf das, was kommen könnte. Da seit zwei Tagen die Mitschnitte der insgesamt drei Stunden bei Coloradio veröffentlicht wurden, möchte ich noch einmal auf die wichtigsten Punkte hinweisen. Da man in einer Audiodatei immer noch nicht so einfach eine Lesezeichen anlegen kann und sich diese auch nicht so einfach durchsuchen läßt, habe ich einfach mal für mich wichtige Stellen transkribiert.
Ab Minute 52:00 geht Torsten auf die Entstehung des Autorenbegriffs ein:
Wir haben uns gerade in der Pause noch ein bischen über Autorenschaft, über die Geburt der Autoren, nicht die physische Geburt eines Autoren an sich im Krankenhaus, sondern über die Entstehung des Autorenbegriffs unterhalten und das wäre auch ein Einwand, der mir sehr wichtig ist, den ich gern anbringen würde, dass die Figur des Autoren ja auch noch nicht per se seit der Steinzeit irgendwie existiert. Sondern, dass Autorenschaft zur Zeit der, wahrscheinlich war es während der Romantik in Deutschland und England, entstanden ist als viele Autoren eben nicht mehr von ihren Mäzänen, von ihren Landesherren gefördert wurden sind, sondern sich andere Brötchengeber irgendwie suchen mussten und dann die Idee hatten, dass sie quasi Kraft ihrer Genialität die Urheber eines Gedichtes sind, dass sie nicht, wie es bis dato gedacht wurde, das Werkzeug einer göttlichen Fügung oder einer göttlichen Gewalt sind, die das was eh schon an Ideen und Schönheit um sie herum ist, einfach nur in eine Fassung bringen. Bis dahin waren Autoren quasi Verfasser von Sachen, die eh schon da waren. Es wurde dann halt in Text verfasst, aber die Worte an sich und die Schönheit dieses Gedichtes, das war eigentlich Gottes Werk und dieses Werk Gottes wurde geschaffen, um den Landesherren preisen und der Landesherr hatte dafür dann wieder die Sicherheit auf seiner Seite, dass er mit Gott so ein bischen „ete petete“ war, gut mit Gott konnte und dann später auch – Max Weber, Protestantismus – dafür ziemlich sicher in den Himmel gekommen ist. Das war quasi ein Zeichen, so Teil der Prädestinationslehre, ein Zeichen dafür, wenn es ganz viele tolle Gedichte, die in seinem Namen über ihnen, seine Frau, seine Familie oder Opern komponiert wuren, dann war das ziemlich sicher, dass der später mal nach seinem Tod ein gutes Leben haben konnte. Aber Autoren oder Verfasser waren zu dem Zeitpunkt nur die Vermittler zwischen Gott und dem Text. Der Gedanke des Genies, was dann eben aus sich heraus einen Text schreibt, der ist erst im späten 18. Jh. in England und Deutschland entstanden.
Später sind wir noch einmal auf eine ganz ähnliche Frage eingegangen, die wir aber noch einmal mit einem ganz anderen Blickwinkel betrachtet haben.
Fidel:
Ab wann ist man denn eigentlich ein Künstler oder durch was zeichnet sich ein Künstler aus?
Anja:
Wenn das mal sagen darf, eigentlich ist die Frage falsch gestellt, wenn wir über das Urheberrecht sprechen, weil eigentlich müssen wir fragen, was ist das urheberrechtlich geschützte Werk. Weil das kann natürlich auch ein Nicht-Künstler schaffen. Ob jemand studiert ist oder nicht, das ist ja für das Recht komplett egal. Wir können das natürlich trotzdem uns fragen, wer ein Künstler ist, aber das stellt sich das Urheberrecht nicht, diese Fragen. Sondern ich stell mir die Frage, was ist ein Blogeintrag? Ist der Blogeintrag geschützt oder ist er geschützt. […]
[…]
Steffen:
Ich fand die Frage deswegen nicht so schlecht, weil letztenendes berührt das auch so ein wenig die Situation, in der wir jetzt gerade sind. Momentan ist es ja so, dass wir ja so verschiedene Rollen jetzt haben, die den ganzen PRozess begleiten. Es gibt halt den Künstler, es gibt jemand, der macht halt das Marketing, jemand der macht PR, jemand kümmert sich um die Vervielfältigung. Jedenfalls gibt es da so eine ganze Stange von Leuten, die verschiedene Rollen einnehmen in so einem Prozess. So die Konsequenz aus dem, was auch der Dirk (Anrufer vorher) angesprochen hat, ist ja im Prinzip, dass jeder sich selber darum kümmert. Es reicht halt, also jetzt in der Situation, in der wir heute sind und in der wir wahrscheinlich auch noch nächstes Jahr sein werden, reicht es halt nicht, dass ich einfach nur Kunst mache und dann kommen die Leute auf mich zu und sagen „Hier, du bist doch ein Künstler oder du musst doch auch irgendwie dein Geld verdienen.“, sondern es ist halt so, dass ich dann auch aktiv etwas dafür tun muss. […] Populäres Beispiel mit Flattr ist ja Tim Pritlove, der auch mal eine ganze Weile seine Einnahmen transparent in seinem Blog dargestellt hat, was er über Flattr einnimmt. Es aber nicht so, dass er einfach diesen Button auf seiner Seite hat, natürlich hat er auch lange vorher schon viel gute Podcasts gemacht. […] Das was er gemacht hat, ist halt, seiner Fanbase erst einmal eine ganze Weile wirklich detailliert mit verschiedenen Blickwinkeln erklärt hat, warum er Flattr nutzt, warum Flattr gut ist, warum das eine interessante Lösung ist. Er hat wirklich auch viel Zeit da auch reingesteckt, seine Unterstützer da erst einmal an diesen Punkt zu bringen, dass sie ihn unterstützen.
[…]
Die Konsequenz, die halt daraus gezogen werden muss, ist im Prinzip dass jeder sich selbst vermarktet, dass jeder sich selbst präsentiert, dass jeder sich selbst managed etc. Da ist halt die Frage, wie definiert sich halt das Bild oder die Rolle des Künstlers heutzutage. Wer ist Künstler? Künstler bin ich heutezutage in dem Augenblick, wenn ich mich selbst vermarkte, also dann wenn ich auch Marketing kann, wenn ich PR kann etc etc.
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Im zweiten Drittel sind wir dann noch auf das Thema Crowdfunding und Crowdsourcing eingegangen. Grit machte dabei ihre Skepsis deutlich, dass Crowdfunding nicht die öffentliche Förderung ersetzen könne, weil Crowdfunding vor allem dort funktioniere, wo es einen großen Konsens gibt. Gemeint war die Diskussion über Crowdfunding als Instrument für den Massengeschmack. Meinen Versuch in dieser Frage darauf hinzuweisen, dass wir mit dieser Situation aber auch ohne Crowdfunding arbeiten müssen, bringt Nadja Schlüter in ihrem Artikel „Daumen hoch“ auf jetzt.de noch viel besser auf den Punkt als ich das machen konnte. Sie bezieht sich darin auf einen Artikel von Neil Strauss im Wall Street Journal und schreibt:
Die größte Angst, die Strauss in seinem Text formuliert, ist die vor einer Tendenz der Nutzer, ihre Online-Äußerungen an den Geschmack der Masse anzupassen, um möglichst viele „Likes“ abzustauben. Er befürchtet, der Like-Button löse einen Zwang zum Konformismus aus. Am besten lässt sich Angst vor schlechtem Online-Einfluss immer mit Realitätsvergleich entschärfen. Wer sich über allzu sehr auf die Peer-Group zugeschnittene Statusmeldungen anderer beklagt, der sollte am besten abends mit Freunden in eine Bar gehen. Dort wird er seinen Freunden den Witz erzählen, von dem er glaubt, dass die meisten ihn lustig finden. Er wird ein Thema ansprechen, das ihn interessiert und von dem er glaubt, dass es die meisten anderen ebenfalls interessiert – und vor allem, dass die meisten dazu etwas zu sagen haben. Er passt sich an. Ohne sich oder seine eigene Meinung aufzugeben.
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Besonders wichtig und weiterhin ungeklärt, sind Fragen zum Urheberrecht, die im Zusammenspiel mit Crowdsourcing entstehen. Wer ist Urheber in partizipativen Projekten? Ab welchem Zeitpunkt in einem Crowdsourcing-Prozess wird von einem einzelnen Teilnehmer eine Schöpfungshöhe erreicht?
Was ist, wenn der Urheber gar nicht genannt werden will? Das Urheberrechtsgesetz spricht dem Urheber trotzdem 70 Jahre lang das Urheberrecht zu. Rein praktisch kann der Urheber nach 20 Jahren oder auch 50 Jahren dann trotzdem, vorausgesetzt es wird eine Schöpfungshöhe erreicht, wieder auf sein Urheberrecht pochen und über Fragen der Verwertung bestimmen.
Interessant ist dabei der Fall von Pumuckl, dem Kobold von Meister Eder.
Die Zeichentrickfigur war und ist Gegenstand diverser Gerichtsverfahren. Zwar hat Ellis Kaut die Pumuckl-Geschichten erfunden, sein Aussehen stammt aber von der Zeichnerin Barbara von Johnson, die den Pumuckl 1963 bei einem Wettbewerb entworfen und später im Auftrag von Ellis Kaut gezeichnet hat. Mit der Produktion des ersten Filmes wurde ihre Pumuckl-Figur durch eine von Brian Bagnall, dem Schwiegersohn von Ellis Kaut, gestaltete ersetzt. Das Oberlandesgericht München entschied im Juli 2003, dass Barbara von Johnson auch an der Figur des Pumuckl in seinem heutigen Erscheinungsbild ein Urheberrecht zustehe. 2006 wurde Barbara von Johnson rückwirkend eine Vergütung für die gezeichneten Auftritte des Pumuckls zugesprochen. Infolge der Entscheidung wird sie nun namentlich im Vorspann der Serie erwähnt.
Für die Ausgestaltung von Crowdfunding-Projekten die auf Mitgestaltung setzen, als Dankeschön-Paket beispielsweise anbieten eine Figur in einer Story zu gestalten, sind das wichtige Erfahrungswerte. Das Urheberrecht ist nach deutschem Urheberrechtsgesetz unveräußerlich. Wenn man sich also für eine starke Mitgestaltung zur Ansprache der Crowd entschließt, könnte man daher auch prüfen, ob man die Urheberschaft gleich mit als Argument mit in die Waagschale legt. Notwendig ist natürlich, den Einzelfall genau zu prüfen und sich ggf. von einem Anwalt zu dem Thema beraten zu lassen.