Ich selbst habe ja keine Spielekonsole. Mit 16 oder 17 spielte ich mich mal einen Monat an SimCity fest. Danach schrieb ich mit Edding „Dies ist kein Spielecomputer“ an den Monitor vom Personalcomputer. Als dieser Monitor später in den Proberaum wanderte, schrieb einer „Doch!“ daneben und es wurden wieder ein, zwei Spiele darauf installiert. Nun gut, es war ja irgendwie nicht mehr mein eigener.
So richtig gereizt haben mich die Spiele aber dann doch nicht. Davor, am C64, sah das noch etwas anders aus. Da gab es Maniac Mansion, Day of the Tentacle und noch davor fand ich mal ein Adventure spannend, bei dem man als Detektiv auf einem Raddampfer einen Mord aufklären musste. In Welten oder Räume eintauchen oder selbst Räume zu gestalten, fand und finde ich immer sehr viel interessanter, als z.B. sich gegenseitig in Schnelligkeit oder Geschick zu messen. Ganz klar, wenn ich nicht gewinne, verliert sich für mich der Reiz. Eine von mir gestaltete Welt dagegen ist individuell und wenn das Spiel gut gestaltet ist, kann ich mich darin wiederfinden. Ich kenne sogar jemanden, der auf diese Art Beziehungen zu anderen Menschen pflegt. Menschen, die er vorher so kennengelernt hat und so eine transmediale Brieffreundschaft auslebt.
Dass ich nicht der einzige bin, der diese Art von Spielen interessanter findet, konnte man auch jüngst in einer spektakulären Crowdfunding-Aktion sehen. Claudia Pelzer schreibt im Crowdsourcingblog:
Vergleichsweise bescheidene 400.000 Dollar hatte Games Entwickler Tim Schafer für sein neues Computerspiel auf Kickstarter aufgerufen. Einen Tag später hatte die Community das Projekt bereits auf eine Million hochgejagt. Und damit scheint längst nicht Schluss zu sein – derzeit (Stand 10. Februar, 17.30 Uhr) sind es bereits über 1,3 Millionen und die Laufzeit beträgt noch 32 Tage. Das ist für Kickstarter jetzt schon ein neuer Plattform Rekord […].
Bei dem Projekt handelt es sich um eine Reminiszenz an die Point & Click PC Adventures der 90er Jahre.
Am Ende waren es fast 90.000 Unterstützer, die zusammen eine Summe von über 3 Mio US$ zusammenbrachten.
Auch in Journey ist fast alles anders als gewohnt. Hier gibt es keinen Highscore, Lebensbalken oder gar eine Spielanleitung. Der User sucht selbst nach seinem Weg durch die endlose Wüste und die sandüberspülten Ruinen einer versunkenen Zivilisation. Ohne Text und Dialoge entfaltet Journey seine Geschichte. Rätselhafte Traumsequenzen, die an kosmologische Wandmalereien der Hobi erinnern, eröffnen eine Welt aus Andeutungen. ThatGamesCompany wollen die emotionale Bandbreite von Videospielen erweitern. In Journey gleitet der User über Sand in wechselnden Lichtstimmungen. Erkundet unterirdische Gebäude, fliegt empor in gewaltigen Türmen, empfindet Erfurcht, Staunen, Verwunderung, Freunde. Große Vokablen, die ansonsten für Literatur oder Kunst reserviert scheinen.
[…]
Auch im Online-Modus begeht Journey andere Wege. Manchmal begegnet man online einem einzelnen anderen Spieler. Dann gibt es keine lustigen Nicknames und Geblödel im Chatfenster. Die Zufallsbegegnung bleibt namenlos und ohne Worte. Nur mit Tönen kann man einander Lautzeichen geben. Man kann einander den Weg zeigen oder einfach ein Stück begleiten. Wortlose Kommunikation, intensiv und beinahe intim.
Journey scheint vollkommen auf Worte als Sprache zu verzichten und trotzdem oder vielleicht auch nicht zuletzt deshalb gilt es „als eines der besten Indie-Computerspiele unserer Zeit“.
Emotionen und Geschichten, die jeder selbst erzählen, gestalten und erfahren kann.
Es wird also ganz bewusst auf die menschlichen Fähigkeiten des Gestaltens zurück gegriffen, Emotionen sind dabei unser individueller Pinselstrich. Sehr wohl ist das auch ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber 10 oder 20 Jahren zuvor. Sehr wohl sehe ich darin auch einen Grund, warum ästhetische und kulturelle Bildung heute eine viel größere Rolle einnimmt. Das „selbst gestalten“ ist ein Merkmal unserer Zeit. Nicht nur emotional-ästhetisch, sondern auch konzeptionell. Wir richten uns die eigenen Informationsfilter ein, um mit der bereits reellen Informationsflut umgehen zu können. Die Tagesschau und die Tageszeitung sind heute nur noch möglicher Filter von vielen, wenn auch immer noch einer mit größerer Bedeutung. Längst aber kommt man sehr gut ohne Massenmedien und nicht weniger informiert klar.
Da es sich gerade anbietet, möchte ich noch einmal den Bogen zum „Kulturinfarkt“ schließen und hervorheben, dass das Bewahren, Pflegen und Erforschen von Kulturgütern und Zeitgeschichte die Grundlage für die Arbeit der Kultureinrichtungen ist, darauf aufbauend es heute mehr denn je darum geht, dass der Teilnehmer dieser Einrichtungen sich im kulturellen Raum, in der Welt einordnen und zugehörig finden kann, indem er die Möglichkeit bekommt selbst zu erzählen, selbst zu gestalten und damit selbst zu erfahren.
Crowdsourcing und Crowdfunding sind Möglichkeiten, um Partizipation zu ermöglichen. Ein Ermöglichen von Teilhabe und Gestaltung.
Crowdsourcing im Kunst- und Kulturbereich
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