djummy records heißt ein neues Netlabel aus Dresden. In der Mail, die mich erreichte, heißt es: „Wir veröffentlichen und fördern Dresdner Musik, richten aber auch den Blick aus der Stadt heraus und bieten Bands/Künstlern von anderen Orten der Welt eine Plattform.“
Bei mir jedenfalls haben die Macher Steffen Koritsch und Marco Sebastian Christ genau ins Schwarze getroffen, da ich für jede Möglichkeit dankbar bin, die mir dabei hilft, auf einfachste Art und Weise etwas mehr Einsicht in die hiesige Musikszene zu bekommen. Der erste Release von djummi records „Crosstown Traffic“ zeigt meiner Meinung nach auch, dass genau das auch bitternötig ist, tatsächlich kann ich mich mit jedem einzelnen der 10 Songs verdammt gut anfreunden! Auch oder sogar gerade das bereichert und läßt mich gern in dieser Stadt wohnen. „Crosstown Traffic“ kann man direkt auf der Website anhören oder als mp3 herunterladen.
Ich habe ausserdem die Gunst genutzt und Sebastian ein paar Fragen zum Thema Netlabels gestellt.
Steffen P.: Hallo Sebastian, gestern landete eine Mail von dir in meinem Briefkasten. Darin steht, dass ihr “ein x-tes Netlabel oder so etwas ähnliches eröffnet” habt und es djummi-records heißt. Jetzt wird es sicher einige geben, die noch nicht wirklich etwas mit dem Begriff Netlabel anfangen können. Was versteht man denn darunter?
Sebastian: Netlabels sind von Musikern oder Musikliebhabern selbstorganisierte, meistens nicht kommerzielle Projekte zum Zwecke der Bekanntmachung und Verbreitung von Musik via Internet unter Verwendung sogenannter freier Lizenzen wie z.B. cc-Lizenzen. Die Musikstücke/Veröffentlichungen werden kostenfrei in Form komprimierter Audiodateien angeboten.
Der Einfachheit halber verweise ich auf eine gute weiterführende Beschreibung unter http://de.wikipedia.org/wiki/Netlabel.
Steffen: Ist es schwer ein Netlabel zu gründen? Wieviel Zeit müßt ihr pro Woche reinstecken?
Sebastian: Netlabels gibt es wie Sand am Meer und jeden Tag werden neue gegründet. Ihre Qualtitäten in puncto Präsentation und Inhalt unterscheiden sich dabei sehr stark. Deshalb würde ich sagen, ist es zwar leicht, ein Netlabel zu gründen, aber es zum Wohle der Musik, der Künstler und der Hörer erfolgreich zu betreiben, bedarf sicherlich einiger Anstrengungen und vor allem Erfahrung. Wieviel Zeit? 2-3 Abende in der Woche können schon reichen, um ein Netlabel am Laufen zu halten. Wenn Veröffentlichungen anstehen, ist der Aufwand jedoch deutlich größer.
Steffen: Ihr schreibt “die Verwendung sogenannter cc-Lizenzen ist optional und richtet sich nach den Wünschen der Künstler”. Welche andere Möglichkeit habe ich denn als Musiker noch, wenn ich meine Musik veröffentlichen möchte?
Sebastian: Am besten nicht in der GEMA sein! Denn dann kann man seine Musik sogar selbst ohne Kostenaufwand und Probleme veröffentlichen. Sei es auf der eigenen Internetseite oder auf einem der zahlreichen Musikportale. Wir haben ganz bewußt offen gelassen, ob und unter welchen freien Lizenzen bei uns veröffentlicht wird. Aus eigener Erfahrung kenne ich die Vor- und Nachteile z. b. der cc-Lizenzen. Zudem ist creative commons für viele Künstler, die nicht so im Internet unterwegs sind, noch immer ein Ding vom anderen Stern. Wir wollen das niemandem aufschwatzen, bieten aber unseren Künstlern diese Option an und leisten auch gerne Aufklärungsarbeit. Aber grundsätzlich kann man auch ohne Verwendung einer freien Lizenz Musik oder jeglichen Inhalt veröffentlichen, da das Urheberrecht ja immer gewahrt bleibt. Der Vorteil bei den cc-Lizenzen liegt jedoch unter anderem darin, daß der Urheber dem Nutzer direkt mitteilen kann, wie seine kreative Arbeit genutzt werden darf.
Steffen: Euch geht es auch um das Kennenlernen und Vernetzen der Musiker untereinander. Habt ihr dafür schon nähere Pläne?
Sebastian: Viele von unseren derzeitigen und zukünftigen Künstlern kennen sich bereits aus dem wirklichen Leben von den diversen Musiklichtungen dieser Stadt, die sich manchmal sogar überschneiden. Das ist eine gute Basis für eine Seite wie die unsere, die eben nicht nur als Label funktionieren soll, sondern auch über Ereignisse informieren will und Leute dazu bringen möchte, vielleicht gemeinsam aktiv oder zumindest aufeinander aufmerksam zu werden. Neben dem virtuellen Knotenpunkt „djummi-records“ besteht aber gerade durch den Bezug auf die Stadt für uns die Möglichkeit, tatsächliches Zusammenkommen in Form von Konzerten, Parties, Workshops etc. zu organisieren. Wichtig ist uns dabei aber auch der Blick über den Stadtrand hinaus, wir möchten ebenso Künstler von außerhalb mit uns „vernetzen“ bzw. die Arbeiten der Dresdner der ganzen Welt zugänglich machen. Vernetzen lassen sich übrigens nicht nur Musiker. Veröffentlichungen, sprich: Alben, um die es ja bei uns primär geht, sind ja durchaus multimediale Kunstwerke, für die es nicht nur Musik, sondern auch Artwork oder vielleicht sogar ein Video bedarf. Über unsere Seite lassen sich möglicherweise die entsprechenden Akteure für ein wirkliches Gemeinschaftprojekt finden.
Steffen: Kommen wir mal zu einem anderem Thema. Im Manifest eures Labels macht ihr unter anderem deutlcih, dass es euch um die Wertschätzung geht. Ihr beschreibt darin, dass man sich nicht mit mp3s zufrieden geben soll. Ihr schreibt: „Natürlich sind Tonträger, selbst schon die CD, im Zeitalter von GigaByte-Musiksammlungen auf dem PC oder mp3-Player, Musikstreams, Cloudcomputing nicht mehr zeitgemäß, ermöglichen aber die Schaffung eben jener persönlichen Verbundenheit zur Musik, zum Künstler oder zu einem Ereignis (z.b. einem Konzert).“ Ihr selbst bietet nun aber mp3s an. Wie passt denn das zusammen? Bin ich dann eigentlich nur ein “guter” Fan, wenn ich mir am Ende auch die Platte ins Regal stelle oder gibt es auch andere Möglichkeiten?
Sebastian: Für mich gibt es keine guten oder schlechten Fans. Seitdem es möglich ist, privat Tonaufnahmen zu kopieren, wird zu einem gewissen Teil Musik gehört, ohne daß sie vergütet wird. Das Phänomen gibt es doch schon mindestens seit 50 Jahren. Für mich besteht kein Unterschied zwischen einer CD, die auf Kassette überspielt wurde, und einer gerippten. Und sind wir doch mal ehrlich: Allein die Tatsache, daß man auf seiner Festplatte Unmengen an kopierter Musikstücke sammelt heißt doch noch lange nicht, daß man diese Musik auch wirklich hört. Das ist oftmals praktisch unmöglich. Grund für die Anhäufung ist doch eher Sammelwut.
Meine These ist, daß den meisten Leuten zu viel Musik zur Verfügung steht und sie unter diesen Bedingungen zwangsläufig nur oberflächlich gehört werden kann, daraus sich aber das Problem einer sinkenden Wertschätzung für Musik insgesamt ergibt. Denn erst durch die Verinnerlichung von Musik und einer persönlichen Verbundenheit mit ihr kann meiner Ansicht nach Wertschätzung entstehen, die in einer wahren Begeisterung für ein Album oder eine Band zum Ausdruck kommt, und der letztlich auch in Form einer wie auch immer gearteten Vergütung des Künstlers entsprochen werden kann.
Für mich stellt sich weniger die Frage, welchen Schaden die Hörer den Musikern oder der Musikindustrie damit antun, sinnlos Musikdateien zu erstellen und sie zu duplizieren, sondern die, welchen „Schaden“ sie sich damit selber zuführen, wenn sie gar nicht mehr richtig in den „Genuß“ von Musik kommen. Wieviel Songs kann man bewußt hören? Wieviel bleibt davon hängen? Bildet sich heutzutage noch so etwas wie ein Musikgedächtnis heraus, das mich Titel Alben zuordenen läßt oder mir sagt, wie das Cover einer bestimmten Platte aussieht bzw. wie Lied „Nr.3“ klingt, es heißt und welches danach kommt?
Ich glaube, daß Tonträger hilfreich sein können, Wertschätzung wieder zu steigern. Musik, die ich „in der Hand halte“, wiegt bei mir schwerer. Ich nehme ein solches Album als multimediales Kunstwerk war, betrachte das Artwork, lese Songtexte, interessiere mich für die beteiligten Künstler und höre es als Ganzes von vorne bis hinten, und das unter Umständen eine ganze Woche lang.
Deshalb möchte ich mich anschließen und auch noch den folgenden Satz aus unserem Manifest zitieren. Tonträger „ermöglichen (…) die Schaffung eben jener persönlichen Verbundenheit zur Musik, zum Künstler oder zu einem Ereignis (z.b. einem Konzert). Glaubt uns: Sie sind die besseren Backups unseres Musikgedächtnisses, das es zu schärfen und zu bewahren gilt. Mit anderen Worten: Besorgt Euch die Tonträger zu Euren Lieblingsalben. Gebt Euch nicht mit mp3s zufrieden. Sie sind zwar praktisch, aber ohne Sammlerwert …“. Man tut sich also meiner Meinung selbst was Gutes, wenn man sich mit Tonträgern umgibt.
Daß wir selbst mp3s anbieten, steht für mich hierzu nicht in Widerspruch. Wie gesagt, ich halte komprimierte Audiodateien für äußerst praktisch, z.b. um via Internet auf spannende Musik aufmerksam zu machen. Sie haben einfach eine andere Funktion.
Steffen: Sollten nicht auch “kleinere” Bands mehr mit alternativen Finanzierungsmodellen wie Flattr und natürlich Crowdfunding experimentieren?
Sebastian: Flattr habe ich mit meinem eigenen Musikprojekten ausprobiert, und ich muß sagen, daß sich da nicht viel bis gar nichts getan hat. Nun kann es sein kann, daß nach meinen Sachen eh kein Hahn kräht, defintiv aber es wohl daran liegt, daß ich, wo auch immer, zu wenig „Follower“ habe. Gerade für „kleine“ Bands ist Mikropayment also nichts, da nur eine große Fangemeinde, die man über Socialmedia an sich geknüpft hat, einigermaßen für Geldeingänge sorgen könnte. Meines Wissens profitieren, wenn überhaupt, nur bekanntere Seiten wie z.B. vielfrequentierte Blogs von diesem Modell.
Crowdfunding hingegen ist sicherlich eine wesentlich sinnvollere Art und Weise um zum Beispiel eine Plattenproduktion vorzufinanzieren. Aber auch hier ist Kreativität gefragt, wenn es darum geht Anreize zu schaffen, um Leute zum Investieren zu bewegen, genauso, wie das Vorhandensein einer großen Fangemeinde.
Steffen: Vielen Dank für das Gespräch und ich werde auf alle Fälle auch verfolgen, was bei euch im Blog passieren wird.