Am Samstag fand in Leipzig ein kleines Barcamp zum Thema Urheberrecht statt. Zusammenfassend kann man sagen, dass wir auf der Suche nach dem Urheberrecht des 21. Jahrhunderts waren. Natürlich, das wäre sonst wirklich ein Wunder, haben wir die eine Lösung nicht gefunden, der Tag war aber dennoch sehr erkenntnisreich. Ich jedenfalls habe einige neue Eindrücke mitgenommen und momentan bin ich auch der Meinung, dass wir eigentlich nicht genug über das Thema Urheberrecht reden können. So wie mir scheint sind wir noch nicht dabei uns gegenseitig nur immer wieder das Gleiche vorzukauen.
Wie ich bereits in der Ankündigung geschrieben hatte, wurde ich als eingeladen, den Tag zu moderieren und so begann ich auch damit mich selbst und grundlegend die Idee eines Barcamps vorzustellen.
Folgend versuchte @bjoerngrau die Komplexität des bestehenden Urheberrechts in 15 Schlagworten zu entwirren. Jetzt im Nachgang muss ich allerdings sagen, dass genau das natürlich schon so schwierig ist, ohne Folien aber beim besten Willen nicht die Chance hat, auch hängen zu bleiben. Ich frage nach und liefere nach, wenn ich die Aufzeichnungen bekomme.
Die Folien und Mitschriften von Prof. Graebe standen dagegen schon vorher im Netz zur Verfügung. Graebe beleuchtete eindrucksvoll den Wert des Wissens. Beginnend bei der Arbeitswerttheorie beschrieb er im Gegenzug zur Abstraktion der „einfachen Arbeit“ von Marx, jede Arbeit als komplizierte Arbeit und kam dabei sehr schnell darauf, dass komplizierte Arbeit etwas mit Wissen zu tun hat. Besonders interessant fand ich den Unterschied zwischen produktiver Arbeit und geistiger Arbeit. Im Gegenzug zur produktiven Arbeit, wo der Zweck vor der Produktion festgelegt wird, entsteht der Zweck bei geistiger Arbeit erst im Nachhinein. Wissen entfaltet seine Wirkung erst unerwartet, in vorab nicht bedachten Zusammenhängen. Ebenfalls ein wesentlicher Unterschied zeichnet sich in der Beziehung zwischen dem Werk der Arbeit und dem Begriff des Eigentums ab. Ein Werk produktiver Arbeit, also ein Produkt, hat nach Graebe immer genau einen Eigentümer. Geteiltes oder getauschtes Wissen, als das Werk geistiger Arbeit, wiederum ist vermehrtes Wissen.
Graebe kommt in dieser Gegenüberstellung zu folgender Zusammenfassung:
Die Sozialisierung produktiver Arbeit geschieht in der Form gesellschaftlich vermittelter Individualität – in der gesellschaftlich vermittelten Rückbezüglichkeit des „privaten Gebrauchs der Vernunft zum Handeln“.
Die Sozialisierung von Kompetenz geschieht in der Form individuell vermittelter Gesellschaftlichkeit – in der individuell gebrochenen und in individueller Praxis neu aufgeladener Rückbezüglichkeit des „öffentlichen Gebrauchs der Vernunft zum Raisonnieren“.
Spannend wird diese Beobachtung im Rückschluß auf das Urheberrecht:
6. Urheberrecht als Abwägungsrecht
Urheberrecht bewegt sich damit im Spannungsfeld zwischen den Erfordernissen der (ökonomischen) Reproduktion der materiellen Infrastruktur und der Reproduktion der Wissensinfrastruktur der Gesellschaft(en).
Urheberrecht hatte schon immer abzuwägen zwischen der Freizügigkeit des Zugangs zu den Wissensressourcen der Menschheit und der ökonomischen Bedingtheit von Denken, Wissen und Kompetenz.
Durch das Wesen der geistigen Arbeit, nicht auf einen konkreten bekannten Punkt hinarbeiten zu können, ist die produktive Arbeit ausgeschlossen, da diese den vorangestellten Zweck benötigt. Man könnte daher zunächst davon ausgehen, dass die produktive Arbeit der geistigen Arbeit nachgestellt ist, da diese das Werk, die Idee, das Wissen als Grundlage hat. In einer gleichen Beziehung ist die geistige Arbeit aber auch von der produktiven Arbeit abhängig, da geistige Arbeit wiederum vom Transport, einer materiellen Infrastruktur zur Reproduktion schon vorhandenen Wissens abhängig ist. Graebe beschreibt diesen Zustand als „prozessierenden Widerspruch“.
Noch einmal anders, würde ich dies als symbiotisches Gegenüberstehen von Schöpfung und Transport beschreiben. Für die Schöpfung, die Schaffung einer neuen Ideen, müssen bereits vorhandene Ideen eine größtmögliche Verbreitung erlangen. Diese Verbreitung wiederum geschieht durch ökonomische Prozesse, die eben durch Verknappung, also der Begrenzung von Zugang katalysiert und machbar werden. Der prozessierende Widerspruch entsteht dadurch, dass der durch Schöpfung geschaffene Zugang wieder verringert werden muss, damit Ideen und Wissen teilbar werden, weil das Teilen selbst Anreize braucht.
Das wirkliche Leben ist immer eine Gratwanderung.
Interessant wäre es jetzt an dieser Stelle weiterzudenken und zu prüfen, ob durch leichtere Reproduzierbarkeit und Teilbarkeit von Schöpfung, von Ideen und Wissen (Digitalisierung), die natürliche Verknappung von Lebenszeit ausreicht, um dennoch diese Widerspruch aufrecht zu erhalten, der die Grundlage für Fortentwicklung zu sein scheint.
„Vom Crowdfunding allein kann keine Plattform leben.“
Die Session über Crowdfunding wurde von Stephan Popp von der Crowdfunding-Plattform VisionBakery gehalten. Da die Grundprinzipien von Crowdfunding allen soweit klar war, stieg er gleich mit dem „Erzählen aus dem Nähkästchen“ ein. Für mich überraschend aber total nachvollziehbar, erzählte Stephan, dass sie demnächst die Plattformgebühr abschaffen werden und von den bisher gesamt 11,9% nur noch 1,9% PayPal-Transaktionsgebühr für den Projektinitiator übrig bleiben. Er begründete diesen Schritt damit, dass man vom Crowdfunding allein nicht leben kann und angestrebt ist, nur noch über Dienstleistungen wie Beratung, White-Label-Lösungen und zukünftig auch über ein Angebot im Bereich Crowd-Investment zu verdienen.
Um die Diskussion etwas mehr in Richtung Urheberrecht zu lenken, stellte ich die Frage: „Ist Sicherheit ein Innovationskiller?“. Gemeint war das im Zusammenhang mit Crowdfunding, was als neues Finanzierungsinstrument auch den Mut, neuen Wege zu beschreiten, voraussetzt. Die ganze Diskussion um die Notwendigkeit des Urheberrechts und das Festhalten an alten Finanzierungsmodellen könnte man, so meinte ich, auch als Wunsch nach Sicherheit, dem Weiterlaufen auf bekannten Wegen beschreiben. Dieser Wunsch würde daher einer schnelleren Verbreitung der Crowdfunding-Idee gegenüberstehen und Crowdfunding selbst als Innovation schwieriger machen.
Völlig zurecht bekam ich daraufhin von @bjoerngrau entgegen gesetzt, dass das Urheberrecht keine Sicherheit darauf bietet, dass jemand die Werke auch tatsächlich haben will. Sehr interessant waren auch die Aussagen, dass man Crowdfunding auch als Proof of Concept (zu deutsch: Machbarkeitsnachweis) bezeichnen kann und Crowdfunding selbst sich auch als Sicherheitstool beschreiben läßt. Ich muss eben nicht erst mit erhöhtem Risiko in Produktion investieren in der Hoffnung, dass meine Produkte dann auch jemand haben will. Crowdfunding gibt mir eine Sicherheit, da ich erst in die Produktion gehe, wenn die Käufer bereits feststehen.
In zwei weiteren Runden haben wir noch über alternative Finanzierungsmodelle diskutiert und von @bjoerngrau Einblicke in die bundespolitische Arbeit der Fraktion Die Linke im Bundestag erhalten. Ich möchte es an dieser Stelle dabei belassen und bedanken. Es hat Spaß gemacht und bin auch gern ein nächstes Mal wieder mit dabei.