Storytelling bekommt mehr Bedeutung zugesprochen. „Die Fähigkeit des Geschichten erzählens hat uns einen evokutionären Vorteil verschafft, die schon zu Urzeitmenschen genutzt haben„, so wird der Literaturwissenschaftler Carsten Gansel in dem DRadio Wissen Beitrag „Evolution – Survival of the fittest story-teller“ zitiert. In welchem Zusammenhang das zu sehen ist, wird in folgenden Worten erklärt:
Der Sprung vom Primaten zum Menschen wird vor allem mit einem größeren Hirnvolumen zusammengebracht. Dabei meinen manche Wissenschaftler der aufrechte Gang hätte die Hirnmasse vergrößern lassen, andere denken der Gebrauch von Werkzeugen hätte das bewirkt. Neue Forschungsergebnisse haben aber gezeigt, dass es Urmenschen gab, die zwar schon aufrecht auf zwei Beinen gingen, aber trotzdem ein kleines Hirn hatten. Außerdem sind auch Werkzeuge bei Schädeln gefunden wurden, die wenig Hirnvolumen hatten. Und genau da setzt die Theorie ein, die der Literaturwissenschaftler Carsten Gansel von der Uni Giesen vertritt, die Theorie of Mind.
Die Theorie of Mind erklärt Carsten Gansel ebenfalls:
Der bedeutendste Faktor im Leben des Homo Sapiens Sapiens, stellt ihr soziales Umfeld dar. In Sozialverbänden geht es um Bündnisse, es geht um Fäden, es geht um hierarchische Strukturen, es um Konukurrenz, es um Paarung, es geht um Täuschung, es geht um Kooperativität.
Mit anderen Worten die Schwierigkeiten beim Aufbau von komplexen sozialen Beziehungen stellten die Gehirne unserer Urahnen vor die größten kognitiven Probleme und genau die förderten die Evolution.
Das Geschichten erzählen sei dabei eine Methode, um den entstehenden Stress abzubauen, sinnbildlich nach den Worten „Geteiltes Leid ist halbes Leid“. Einen zweiten, viel weitreichenderen Effekt beschriebt Gansel wie folgt:
Dass sowohl der Produzent der Geschichte als auch der Zuhörer sich in das hineinversetzen müssen, in das was geschieht, mit anderen Worten, sie müssen Empathie entwickeln, sie müssen eine andere Perspektive einnehmen. Und klar dürfte auch sein, dass das erstmal sehr einfache Erzählen von Geschichten, wie auch dann das artifizielle, in Form von künstlerischen Darbietungsweisen, diese Eigenschaft, zu überlegen, was könnte eine Person tun, ist eine Eigenschaft über die nur der Mensch verfügt.
Storytelling, die verbindende Kraft
Superspannend für mich ist, dass ich Anfang April diesen Jahres in meinem Artikel „Storytelling, die verbindene Kraft“ eine Theorie aufgestellt hatte, die sich mit der Erklärung von Carsten Gansel in wesentlichen Elementen deckt.
Ich möchte sogar noch einen Schritt weiter gehen und die These aufstellen, dass erst durch das Geschichten erzählen Kultur entstehen kann und auch erst dadurch eine Gesellschaft erkennbar wird.
Der Ausgang meiner Herleitung ging mehr auf den vermittelnden Prozess ein, darauf, dass in dem Augenblick des Geschichten erzählens ein Sender und Empfänger entsteht, die sich zueinander ausrichten müssen, darauf, dass man sich für das Senden und Empfangen auf eine gemeinsame Bedeutungssphäre einigen muss und dadurch Kultur und Gesellschaft entsteht.
Mit meinen Überlegungen zielte ich noch stärker auf den kulturellen und gesellschaftsbildenden Aspekt von Storytelling. Carsten Gansel hingegen geht mehr auf die Bedeutung für die Evolutionären des Menschen ein.
Wer sich in andere reindenken kann, kann Strategien entwickeln, kann handeln. […] Geplantes Handeln wird in der Regel ein Vorteil sein und in der Vorzeit wird dieser Vorteil oft über Leben und Tod entschieden haben.
Die Sendung zum Nachhören: auf DRadio Wissen