Es wird Zeit die GEMA mal etwas genauer zu beleuchten. Es IST gut, dass die GEMA diesen Montag ihren allerersten Tag der offenen Tür überhaupt veranstaltet hat. Das Angebot war ehrlich und auf Fragen wurde mir mit viel Elan und eben auch Ehrlichkeit geantwortet. Aber: Das, was an diesem Tag offen stand, war nur die Tür zur Verwaltungsebene des geschäftsführenden Betriebes. Der inhaltlich und gestalterische Souverän der GEMA sind die ordentlichen Mitglieder, die sich wiederum in einer hierarchischen Struktur organisieren, die in bestimmten Teilen stark zu hinterfragen ist.
Die Sache mit den Zahlen
Über die GEMA reden, heißt tatsächlich viel über Zahlen zu reden. Es gibt eine ganze Menge Zahlen, darunter viele interessante, die wirklich wirklich interessanten aber bekommt man wieder nicht auf dem Silbertablett serviert. Interessant ist sicherlich, dass die GEMA ca. 1000 Mitarbeiter hat, verteilt über sieben Bezirksdirektionen. In ihr organisiert sind rund 64.000 Urheber, Rechtsnachfolger und Verleger. Die tatsächliche Anzahl der Urheber betrug 2011 56.690. Meines Erachtens kann man daher sagen, dass in ganz Deutschland im 56.690 Komponisten und Textdichter vom direkt Urheberrecht profitieren.
Die Einnahmen im Jahr 2011 beliefen sich auf ca. 825 Mio € und ca. 15% davon gingen an die GEMA, zur Deckung der Betriebskosten. Daraus ergaben sich im vergangenen Jahr knapp über 700 Mio €, die ausgeschüttet werden konnten. Zu beachten ist aber, dass die GEMA in Deutschland natürlich auch das Geld eintreibt, welches Urhebern aus anderen Ländern zusteht und über Verträge an Verwertungsgesellschaften anderer Länder und an Subverlage ausgeschüttet wird. Diese Summe betrug 2011 immerhin 206 Mio €.
Auf die Frage, wie sich die Ausschüttung auf die Mitglieder im Groben verteilt, machte mir Bezirksdirektionsleiter Uwe Dorn im persönlichen Gespräch dann tatsächlich eine Rechnung auf, wonach man bei beispielhaft gemeinten 640 Mio € Ausschüttung und 64.000 Mitgliedern auf eine Summe von 10.000 € pro Mitglied komme. Die wirklich interessanten Zahlen, wie viel von der Gesamtsumme an die „Dieter Bohlens“ und „Stefan Raabs“ verteilt werden, gäbe es nicht. Genau das aber wäre ja mal interessant und würde mal ein paar Fakten mit in die Diskussion werfen.
Der Geschäftsbericht der GEMA, aus dem ich auch schon die bisherigen Zahlen habe, hilft aber auch hier etwas weiter, um eine eigene Interpretation anzustellen. Wichtig ist, dass es drei verschiedene GEMA-Mitgliedschaften gibt. Die 65.722 Mitglieder der GEMA gesamt, teilten sich 2011 auf in 55.802 Angeschlossenen Mitgliedern, 6472 Außerordentlichen Mitgliedern und 3.448 ordentlichen Mitgliedern. Unter den ordentlichen Mitgliedern wiederum befinden sich 2407 Komponisten und 487 Textdichter. Der verbleibende Rest sind 520 Verleger und 34 Rechtsnachfolger, also die Nachfahren der verstorbener Urheber. Dankenswerterweise verrät der Geschäftsbericht auch etwas über die Verteilung innerhalb dieser Gruppen. Denn auf die kleinste Gruppe entfällt tatsächlich das größte Kuchenstück. Die Darstellung besagt, dass 204 Mio € (entspricht 65,25%) auf die ordentlichen Mitglieder entfallen, 15 Mio € (4,79%) auf die Außerordentlichen Mitglieder, 73 Mio € (23,3%) auf die Angeschlossenen Mitglieder und 20 Mio € (6,66%) noch einmal auf die Rechtsnachfolger. (Warum die Rechtsfolger noch einmal auftauchen, obwohl diese sich jeweils schon in den Mitgliedergruppen befinden müssten, wird nicht klar.) Völlig im dunkeln bleibt im Geschäftsbericht, was mit der Differenz passiert, die sich aus 702 Mio Verteilsumme, abzüglich der 206 Mio € für Auslandbeteiligungen und den eben aufgezählten 313 Mio € Gesamtausschüttung an Mitglieder, ergibt (183 Mio €).
Für 3.448 Ordentliche Mitglieder wurden also 204 Mio € ausgeschüttet, macht im Durchschnitt knapp unter 60.000 € pro Ordentliches Mitglied, an 6472 Außerordentlichen Mitgliedern wurden 15 Mio ausgeschüttet, macht im Durchschnitt etwas mehr als 23.000 € und an 55.802 Angeschlossene Mitglieder wurden rund 73 Mio € ausgeschüttet und das macht im Durchschnitt 1.308 € pro Jahr! Die größte Masse an GEMA-Mitgliedern, nämlich knapp 85%, bekommt das wenigste Geld. Hab ich mich verrechnet? Ein Denkfehler? Was genau wollte mir Herr Dorn mit seiner Beispielrechnung vermitteln?
Die 12 Frauen
Eine andere Zahl, die aufgrund der praktischen Monopolstellung der GEMA zu denken geben sollte, in den entscheidenden Positionen, also dem Vorstand, dem Aufsichtsrat, den Ausschüssen und Gremien der GEMA sitzen insgesamt 174 Männer, aber gerade einmal 12 Frauen! Im Gegensatz zu Parteien, wovon es viele oder zumindest einige gibt, hat die GEMA eine Quasimonopolstellung, als KomponistIn und TextdichterIn kann ich mir keine andere aussuchen.
Mitglieder
Ich zitiere die Satzung der GEMA:
§5 Organe des Vereins
Die Organe des Vereins sind:
a) die Versammlung der ordentlichen Mitglieder
b) der Aufsichtsrat
c) der Vorstand im Sinne des BGB.
und weiter:
§6 Mitgliedschaft
1. Der Verein unterscheidet zwischen ordentlichen Mitgliedern, außerordentlichen Mitgliedern und angeschlossenen Mitgliedern. Ordentliches oder außerordentliches Mitglied der GEMA kann nur werden, wer selbst Urheber im Sinne des Urheberrechtsgesetzes ist oder einen Musikverlag betreibt.
2. Die Bezeichnung „angeschlossenes Mitglied“ führt der Berechtigte, der weder die Voraussetzungen der außerordentlichen noch der ordentlichen Mitgliedschaft erfüllt, mit der Unterzeichnung des Berechtigungsvertrages (§ 3). Er ist kein Mitglied
im Sinne des Vereinsrechts. Das Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Verein, im besonderen auch dessen Beendigung, richtet sich ausschließlich nach dem Berechtigungsvertrag.
Es sind also 3.448 Ordentlichen Mitglieder, die über die inhaltliche Ausrichtung und über notwendige Veränderungen entscheiden, nicht etwa alle 65.000 Urheber, die in der GEMA organisiert sind.
Der Grund, warum nur ein geringer Teil Ordentliche Mitglieder sind, ist auch in der Satzung zu finden.
§7
1. Die ordentliche Mitgliedschaft kann nur nach fünfjähriger außerordentlicher Mitgliedschaft erworben werden von:
a) Komponisten, die in fünf aufeinander folgenden Jahren ein Mindestaufkommen von EUR 30 000,00, jedoch in vier aufeinander folgenden Jahren mindestens EUR 1 800,00 jährlich von der GEMA bezogen haben, gerechnet ab 1. Januar 1946.
b) Textdichtern, die in fünf aufeinander folgenden Jahren ein Mindestaufkommen von EUR 30 000,00, jedoch in vier aufeinander folgenden Jahren mindestens EUR 1 800,00 jährlich von der GEMA bezogen haben, gerechnet ab 1. Januar 1946.c) Musikverlegern, die in fünf aufeinander folgenden Jahren ein Mindestaufkommen von EUR 75 000,00, jedoch in vier aufeinander folgenden Jahren mindestens EUR 4 500,00 jährlich von der GEMA bezogen haben, gerechnet ab 1. Januar 1946.
Mitbestimmen darf also nur, wer bereits wahrhaftig seinen Lebensunterhalt über die schöpferische Tätigkeit bestreiten kann und sich bereits deutlich vom Durchschnitt der „unteren Gruppe“, also dem Durchschnitt der Angeschlossenen Mitgliedern abhebt. Wie bereits errechnet bezieht das einzelne Angeschlossene Mitglied nur knapp 1.300 € pro Jahr.
Bezogen auf den gesamt-gesellschaftlichen Rahmen, in dem über viele Jahre hinweg Mitbestimmung als unabhängig von gesellschaftlicher Stellung und unabhängig von Einkommen und ähnlichen Faktoren herausgearbeitet wurde, ist ein Mitbestimmungskriterium über das Einkommen sehr kritisch zu beurteilen. Angesichts der faktischen Position und gesetzlichen Verankerung der GEMA und der breiten öffentlichen und gesellschaftlich relevanten Diskussion um das Urheber, ist die innerliche Struktur der GEMA meiner Meinung nach nicht kommentarlos hinnehmbar.
Arbeitsfähig?
Es stellt sich auch die Frage, inwieweit die GEMA überhaupt konkurrenzfähig arbeiten kann. Im Gegensatz zu Verwertungsgesellschaften in anderen Ländern (Dänemark, Frankreich und den Niederlanden), schafft sie es nicht die Prozesse so zu gestalten, dass Creative Commons Lizenzen mit der Mitgliedschaft bei der GEMA vereinbar sind. (vgl.: GEMA bleibt beim Nein zu Creative-Commons-Lizenzen – Feb. 2012) Als Begründung wird genannt, dass dadurch Mehraufwand und damit Mehrkosten entstehen würden, die dem Ziel der GEMA, bei möglichst geringen Kosten die Rechte der Urheber bestmöglich zu vertreten, entgegenstehen würden. Was damit schwierig bleibt, ist z.B. die Nutzung viraler Marketing-Effekte über Soziale Netzwerke.
Passend zur Frage, wie arbeitsfähig die GEMA ist, findet man im Programm der kommenden Mitgliederversammlung der GEMA:
Die ordentlichen Mitglieder […] beantragen, darüber abzustimmen, eine neue Abteilung aufzubauen, ersatzweise eine neue Stelle zu schaffen oder zu besetzen, welche zur Aufgabe hat, Auslandsmeldungen, also Musikfolgebögen, die in Papierform bei der GEMA eingehen, per Hand zu bearbeiten und den Schwestergesellschaften digital zu übermitteln oder eine andere Möglichkeit zu finden, die Auslandsmeldungen nicht versacken zu lassen!
Begründung:
Derzeit gehen der GEMA sehr viele Auslandseinnahmen im Live-Bereich verloren, weil Werkelisten in Papierform an die Bands/Alleinunterhalter zurückgeschickt werden und die Abrechnungsabteilung die Musiker auffordert, die Titel digital einzugeben. Musikfolgebögen mit Auslandsterminen in Papierform werden von der Abrechnungsabteilung abgelehnt.
Viele Bandleader und besonders viele Alleinunterhalter sind häufig aus verschiedensten Gründen, auch aus Altersgründen und PC-Unkenntnis nicht bereit (oder können es einfach nicht), die Auslandstermine digital einzureichen. Wenn die Schwestergesellschaften das digitale Eingeben vorschreiben, dann muss die GEMA reagieren und eben selbst die Papiereinreichungen digital bearbeiten.
Der ganze Rest der Programmpunkte der Mitgliederversammlung ist auch sehenswert. Über ca. 100 Seite werden Änderungen an Satzung, Verteilplan und Geschäftsordnung vorgeschlagen, dass man meinen müsste, Ordentliche Mitglieder hätten allesamt Jura als Grundfach im Studium belegt. Spaßig ist das nicht, was man auch in einem Antrag zur Versammlung wiederfindet:
Die Mitgliederversammlung beauftragt den Aufsichtsrat, zur grundlegenden Überarbeitung der Verteilungspläne eine Sonderverteilungsplankommission einzuberufen, die aus der Mitte der Mitgliederversammlung gebildet wird […]
Begründung:
Die Verteilungspläne in der aktuell geltenden Fassung sind das Ergebnis eines Jahrzehnte dauernden sukzessiven Veränderungsvorganges. Hierbei sind eine Fülle von Einzelregelungen und Bestimmungen entstanden. Eine grundlegende Neufassung des Verteilungsplanes ist dringend erforderlich und soll die Gesamtsystematik der Verteilung erfassen, wobei der Grundsatz der werk- und nutzungsbezogenen Verteilung als oberste Prämisse zu verstehen ist. Zudem bedarf der Verteilungsplan zur besseren Verständlichkeit vereinfachter Strukturen sowie eine transparentere Abrechnung auf Basis der heutigen technischen Möglichkeiten. Gegebenenfalls kann durch eine gelungene Neufassung des Verteilungsplanes eine Verschlankung der Administration erreicht werden.
Fazit?
Als Gesamteindruck kann ich nur sagen, dass auf die GEMA viel mehr Aufmerksamkeit gerichtet gehört. Es stellt sich die Frage, wie eine Struktur, deren Mitglieder sich über die alten Modelle, die alten Verwertungsstrukturen legitiert hat überhaupt reformfähig ist. Keiner schafft sich freiwillig selbst die Grundlagen, dass er weniger verdient. Viel mehr verstärkt dies gepaart mit dem technischen Fortschritt und den gesamt-gesellschaftlichen Wandel den Geist für ACTA, PIPA und Co! Der Kruse-Satz „Und bist du nicht willig, dann brauch Geduld.“ wird hier nicht reichen. Fast wie eine Drohung kommt da ein Satz wie folgender von der GEMA Webseite vor:
Warum gibt es uns?
Unser Ziel hat sich in den über 100 Jahren unseres Bestehens nicht geändert:
Uns geht es darum, das geistige Eigentum der Musikschaffenden zu schützen, ihre Interessen zu vertreten und dafür Sorge zu tragen, dass sie für die Nutzung ihrer Werke angemessen vergütet werden. Dafür wird sich die GEMA auch in Zukunft und angesichts der Herausforderungen des Informationszeitalters einsetzen.
Mit Schwestergesellschaften und Partnern aus Politik, Industrie und Wirtschaft haben wir neue Formen der Zusammenarbeit entwickelt, um Urheber auch in der digitalen Welt schützen zu können.
Urheber sollten erkennen, die GEMA geht fremd! Alternativen wie die C3S sind Notwendigkeiten, da sie die GEMA wieder aus der Vergangenheit in die Gegenwart zwingen müssen!