Unser Standpunkt bisher klingt fest: Das Urheberrecht ist gut so, wie es ist; es bedarf keiner Veränderungen. Jeder, der dagegen verstößt, muss verfolgbar sein. Das Recht muss in jedem Fall durchgesetzt werden. Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten sind alle diese Positionen absolut richtig. Mit der Lebenswirklichkeit und den Gesetzen der Internetkommunikation haben sie allerdings immer weniger zu tun.
Es ist offensichtlich geworden, dass das Urheberrecht in bestimmten Bereichen vor allem der sozialen Kommunikation im Netz die Entfaltung von Kreativität eher behindert als fördert. Damit steht es dort auch der Verbreitung und Nutzung unserer Inhalte entgegen.
Wir als Branche müssen uns die Frage stellen, ob nicht gerade in dem genannten Bereich Korrekturen notwendig sind. Ich denke an den Literaturfan, der zwei Seiten aus einem Roman auf seine Facebook-Seite stellt, um den Text mit seiner Community zu diskutieren. Solange wir Fälle wie diesen für verfolgungswürdig halten, reden wir einem Urheberrecht das Wort, das die Urheber nicht nur schützt, sondern ihnen indirekt auch schadet. Auf der anderen Seite muss verdeutlicht werden, dass das Urheberrecht grundrechtlich geschützt ist. Es bildet nämlich die Existenzgrundlage derer, die ihre Arbeitskraft für eine immaterielle Leistung einsetzen und auf diese Weise wertvolle und stark nachgefragte Beiträge zur Entwicklung unserer Gesellschaft erbringen.
Leander Wattig kommentierte diese Aussage als „auf jeden Fall in die richtige Richtung“.
Mit dem Deutschen Bühnenverein macht sich jetzt ein weiterer Branchverband im Bereich der Kultur sehr ähnliche Gedanken. Der Deutsche Bühnenverein, der Bundesverband der Theater und Orchester, hat an diesem Wochenende während der Jahreshauptversammlung ein Resolutionspapier erarbeitet, in dem auch eine „behutsame Änderung des Urheberrechts“ gefordert wird. In der Pressemitteilung heißt es:
Angesichts der digitalen Herausforderungen, vor denen auch Theater und Orchester stehen, brauchen sie eine behutsame Änderung des Urheberrechts. Die Aufzeichnung von Aufführungen und deren Nutzung für die digitale Kommunikation müssen zur Information der Öffentlichkeit urheberrechtlich erleichtert werden.
Mit diesen Veränderungen des Urheberrechts könnten sich die Theater und Orchester in der digitalen Welt besser behaupten. Dabei steht im Vordergrund, die Informationsmöglichkeiten des Internets nutzen zu können, um vor allem junge Menschen für den Besuch einer Theateraufführung oder eines Konzertes und die damit verbundenen Live-Erlebnisse zu gewinnen. Zugleich geht es um die neuen Möglichkeiten, mit interaktivem Theater im Netz zu experimentieren und das Internet für den Dialog mit den Zuschauern zu nutzen.
Beide Branchenverbände haben sich konkret auf die auszugsweise Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke in den Sozialen Netzwerken bezogen. In beiden Fällen handelt es sich nicht um Vertreter der Urheber. Der Börsenverein ist ein Interessenverband der deutschen Buchhändler und Verleger, der Deutsche Bühnenverein vertritt die öffentlichen und privaten Träger der deutschen Theater und Orchester. Inwieweit sich Autoren konkret schon zu einer Nutzung, die dem Fair Use des anglo-amerikanischen Urheberrechts-Systems ähnlich sein könnte, geäußert haben, ist mir bisher nicht bekannt. Im Falle der Theater und Orchester ist allerdings offensichtlich, dass die derzeitige Situation, der Unsicherheit über die zukünftige Finanzierung von Kultureinrichtungen, einer Rechtsunsicherheit nicht zuträglich ist, um neue Modelle zu erproben.
Immer mehr stellt sich aber auch die Frage, wann die Politik sich deutlicher an das Thema herantraut. Bereits im März forderte die Deutsche Literaturkonferenzvon der Politik die seit langem vorliegenden und gemeinsam von Vertretern der Autoren, Verlage, Verwertungsgesellschaften und Bibliotheken erarbeiteten Vorschläge zur Nutzung vergriffener und verwaister Werke endlich anzugehen und gesetzliche Regelungen auf den Weg zu bringen.
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