Ach wie langweilig. Die nächste Unterschriftenliste für ein „starkes“ Urheberrecht ist im Netz. Dieses Mal initiiert vom Deutschen Kulturrat e.V., dem „Ansprechpartner der Politik und Verwaltung des Bundes, der Länder und der Europäischen Union in […] kulturpolitischen Angelegenheiten“.
„Für kulturelle Vielfalt im Internet“ steht darüber geschrieben und natürlich geht um das „Zeichen setzen!“. Schön auch der Satz:
Für hunderttausende von Kulturschaffenden in unserem Land und darüber hinaus für einen ganzen Wirtschaftszweig ist aber die Sicherung des Urheberrechts eine existenzielle Frage.
Hunderttausende leben also direkt vom Urheberrecht. Mächtig gewaltig. Kaum zu glauben. Ganz ehrlich, ich glaube das nicht. Genau das ist einer der Punkte, der in den Diskussionen der letzten Wochen immer wieder stark in Frage gestellt wurde und bisher ist mir kein Beweis untergekommen, der solche Behauptungen mit Zahlen unterfüttern würde. Zu gern würde ich mich in diesem Punkt mit einer, meiner Meinung nach machbaren Auswertung vom Gegenteil überzeugen. Gerade das könnte doch die Aufgabe eines Deutschen Kulturrates sein. Für Transparenz zu sorgen! Von mir aus können und sicher sollten solche Daten anonymisiert sein ohne geht es aber einfach nicht mehr.
Bevor ich hier falsch verstanden werden, nein ich bin nicht gegen ein Urheberrecht und ich will es auch nicht abschaffen. Über die Geltungsdauer der Urheberpersönlichkeitsrechte muss man reden, aber nicht aus Gründen, damit Dritte möglichst frühzeitig mit frei gewordenen Werken ihr Geld verdienen können, sondern weil wir uns fragen müssen, ob Kultur ohne freien Zugang zu Kulturgütern überhaupt ausreichend funktionieren kann? Für kino.to und co sehe ich keine Berechtigung. Kriminalisierung von der Basis von „er oder sie hat etwas gemacht, weil ihn oder sie herum das alle so machen“ ist Kriminalisierung von Kultur. Das aber nur nebenbei.
Man kann es doch eigentlich so sehen: Es ist Zeit vergangen, die Welt hat sicher weiter gedreht und holladihopp, es wurde ein neues Medium erfunden mit dem die Menschheit irgendwie ganz schön viel anfangen kann. Wir nennen es „Das Internet“. Dass dieses neue Medium, wie jedes andere neue Medium vorher auch, uns die Welt neu erfahren lässt, ist etwas, womit wir umgehen lernen müssen. Ja, endlich, wir haben eine Debatte über das Urheberrecht. Wir sollten alle froh darüber sein und versuchen gemeinsam an unseren Erkenntnissen zu wachsen. Sich gegenseitig in Unterschriftenlisten zu formieren, das aber ist Polarisation und wird nicht dazu beitragen, dass man gemeinsam an der Zukunft baut.
Ich glaube nicht daran, dass es Gewinner und Verlierer in dieser Diskussion geben muss. Ja, wir haben zwei Seiten. Genauso, wie sie sich auch schon im Urheberrechtsgesetz widerspiegeln. Dieses besteht nämlich zum einen Teil aus den Urheberpersönlichkeitsrechten (Recht der Erstveröffentlichung, Recht als Urheber genannt zu werden, Recht Entstellungen zu untersagen) und zum anderen aus den Verwertungsrechten. (Disclaimer: Ich bin kein Anwalt, meine Quelle ist tatsächlich ein Video eines Vortrages von Stephan Benn.) Schöpfung und Verbreitung stehen sich symbiotisches gegenüber (vgl. Rückblick: Barcamp Urheberrecht in Leipzig, Vortrag: Wert des Wissens), das eine kann ohne das andere nicht. Wir müssen nicht versuchen, die Regeln der alten Welterfahrung auf die neue anzuwenden.
In der Hoffnung, dass das trotz des harten Vergleichs nicht zur weiteren Polarisierung führt, möchte ich Simon A. Frank aus dem Begleitband der stARTconference 2009 „Kultur 2.0 – Neue Web-Strategien für das Kulturmanagement im Zeitalter von Social Media“ zitieren:
Gnom, Eisenbahn betrachtend (Carl Spitzweg)
„Traurig blick ein am Rande einer Höhle stehender, der Märchenwelt entsprungener Zwerg ins Tal, wo er wohl noch vor kurzem mit Elfen und Wichteln durch die nebeligen Auen wanderte. Die moderne Zeit mit der den Geist der Natur zerstörenden Kraft hält in Form der Eisenbahn Einzug, die der Gnom durch das Tal dampfen sieht. Noch am Anfang des 19. Jahrhunderts hatte der Londoner Professor Dionysius Lardner, dessen Lehrbücher auch in Deutschland überall verbreitet waren, vor dieser neuen Eisenbahntechnik gewarnt, da er fest davon überzeugt war, dass der Mensch, der sich schneller als 30 km/h bewegen würde, durch plötzlichen Verlust von Raum und Zeit umgehend zu Tode käme.“
Schon mehrmals in unserer Evolution haben wir ein „Internet“ erfunden, das erste mal wahrscheinlich mit dem Faustkeil, das „Schweizer Messer“ der Steinzeit und ältestes Werkzeug des Menschen. Auch er hat uns durch Fertigkeiten wie Hacken, Schneiden oder Schaben gelehrt, die Welt neu zu erfahren. Ich will nur sagen, wir haben das schon mehrmals durch und werden es auch ein weiteres mal schaffen, ohne unter zu gehen.