Astrid Herbold beschreibt im April diesen Jahres Crowdfunding als Verkaufsumfeld und Marketinginstrument. Das Wort Umfeld kommt der Vorstellung einer Plattform als räumliches Gebildete ziemlich nahe. Der virtuelle Raum, das kennt man. Crowdfunding-Plattformen sind Räume, die man betritt, wo man sich Bilder anschaut usw. und im Bestfall auf Projektstarter/innen trifft, die interessante Geschichten erzählen können und an meiner Meinung interessiert sind. Wenn mich die Neugier auf den Ausgang der Geschichte packt, geb ich einen Zehner, und wenn es einen guten Grund, eine wirklich spannende Gegenleistung gibt, auch mehr.
Der eigentliche Bezahlvorgang ist letztlich nur das Ziel von dem, was man auf einer Crowdfunding-Plattform sucht, längst aber nicht alles. Wenn man genau hinschaut, wird man auch erkennen, dass der eigentlich Bezahlvorgang auch gar nicht mehr von der Plattform selbst geleistet wird. Bei Kickstarter ist es Amazon, bei vielen anderen wie der Visionbakery ist es vorangig PayPal und bei Startnext spielt die Fidorbank eine entscheidende Rolle.
In ihrem Artikel hebt Astrid Herbold und auch Tino Kreßner, der darin zu Wort kommt, hervor, dass es von Vorteil ist, wenn die Bezahlerei vor allem schnell und einfach geht.
Auch die Abwicklung des Geldtransfers muss so einfach wie möglich sein, bei Kickstarter reichen ein paar Klicks. Zum Einloggen dient der Facebook-Account, zum Bezahlen das Amazon-Konto. „Kickstarter hat da von Anfang sehr viel richtig gemacht“, meint Kreßner. Vor allem die Kooperation mit Amazon hätte sich für den amerikanischen Markt als strategisch perfekter Zug herausgestellt. „Bei Amazon kaufen die Leute die Produkte, die schon auf dem Markt sind. Bei Kickstarter die Produkte, die erst noch auf den Markt kommen.“
Die Kompetenz liegt also darin, die richtigen Kooperationen eingegangen zu sein. Schnell und einfach geht es im Endeffekt aber nur, weil das Amazon, PayPal oder die Fidorbank möglich machen. Habe ich kein Amazon-Konto nützt mir bei Kickstarter als potentieller Unterstützer auch kein Kickstarter-Account. Amazon ist dort Pflicht. Bei anderen Plattformen ist das anders, aber es bleiben wie gesagt immer nur „die richtigen Kooperationen“.
Was bleibt dann eigentlich noch übrig? Was füllt am Ende den Raum? Was macht das Umfeld aus? Es sind die Werkzeuge zur Kommunikation, wie es eine Webseite mit ihren ganzen einzelnen Bestandteilen selbst ist, und noch viel wichtiger, es ist die Erfahrungen, die sie über den Support den Starter/innen zur Verfügung stellen. Wie auch in Vorträgen immer wieder hervorgehoben wird, wurde Crowdfunding nicht durch die Crowdfunding-Plattformen erfunden. Die Finanzierung des Sockels der Freiheitsstatue 1884 wird dabei immer wieder als erstes Crowdfunding-Projekt genannt.
Joseph Pulitzer, Herausgeber der Zeitung New York World, kündigte eine Spendenkampagne an, die 100.000 Dollar aufbringen sollte. Er versprach, den Namen jedes Spenders zu veröffentlichen, und sei der gespendete Geldbetrag noch so klein.
Von der Art und Weise, wie das Geld von A nach B kommt, ist dabei schon gar nicht mehr die Rede. Crowdfunding mit Schwarmfinanzierung gleichzusetzen, wie es gern und auch im Wikipedia-Artikel getan wird, ist meiner Meinung nach nur die halbe Wahrheit. Viel mehr geht es beim Crowdfunding in der Praxis darum, dass ein Umfeld aus Kommunikation und Vertrauen geschaffen wird, welches die Finanzierung eines Projektes durch eine große Masse, in vielen kleineren Einzelteilen, möglich macht. Die Kernkompetenz einer Crowdfunding-Plattform liegt daher und meiner Meinung nach im Bereitstellen von sinnvollen Kooperationen, Werkzeugen zur Kommunikation und nicht zuletzt auch in der Transparenz, als Voraussetzung für Vertrauen und Erfahrungsaustausch.
Das, was auf dem US-Amerikanischen Markt noch eine wesentliche Rolle spielt, nämlich potentielle Reichweite, und im deutschsprachigen Raum bisher noch fehlt, sehe ich dabei nicht als Defizit bei den Plattformen, sondern im Ökosystem insgesamt. Und daran ist jeder beteiligt. Natürlich auch die Plattformen, aber genauso auch die Projektstarter, die Supporter, dann das jeweilige Ökosystem der Sparte (z.B. Kunst, Kultur, Wissenschaft) und nicht zuletzt auch die Ebenen der Medien und die der Politik. US-Amerikanische Reichweite werden wir hier nie erreichen, von dem, was möglich ist, sind wir aber noch weit weit entfernt.