Das ist schon fast dramatisch, ich betrete den Lipsiusbau über die Kelleretage und finde ich mich nicht wieder. Ein wohlgeformtes und vor allem unheimlich großes und unverputztes Kellergewölbe baut sich vor mir auf. Das aber ist nur der Anfang.
Das architektonische Gesamtereignis des Lipsiusbaus zu beschreiben, traue ich mir nicht zu. Auch mit meiner Funzelkamera mache ich lieber gar nicht erst den Versuch ein schönes Foto zu schießen. Drei Sekunden Mühe geben muss reichen. Die einzelnen Ziegel des alten Gemäuers liegen sichtbar, einzelne Säulen und die Fussböden sind aus purem Beton. Das charmant unbetonte Grau arbeitet nicht ohne den Blick auf das Ursprüngliche zu lenken. Alles richtig gemacht, denke ich mir.
Laut Wikipedia blieb das Gebäude nach dessen Zerstörung infolge der Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg bis zum Ende der DDR ungenutzt. Dann, nach der Wende, wurde dessen endgültiger Wiederaufbau beschlossen. Erst 2005 erhielt der Lipsiusbau seinen ursprünglichen Sinn als Ausstellungsraum für Kunst zurück.
Ein Besuch ist ein Erlebnis, eines mit vielen Schattierungen. Schon allein die Architektur, das Geschichte tragende Gestein, ist ein Erlebnis. Dabei stellt sich die „Hülle“ einer Ausstellung wie die aktuelle „jetzt hier“ mit Gegenwartskunst aus dem Kunstfonds des Freistaates Sachsen empört eifersüchtig in den Weg. Immer wieder geht mein Blick zur Decke. Zu aufregend der Bruch der alten Deckenverzierung, die drahtig in die neue Ergänzung übergeht.
Und es gibt noch mehr, von dem man sich frei machen muss, um überhaupt die ausgestellte Kunst zu entdecken. Vor allem, weil man so oft nach oben schauen muss, fallen sie auf, die Kameras. Hinzu kommen nicht wenige AufpasserInnen. Nichts für ungut, aber wer schaut da eigentlich wem zu? Ich beobachte mich mich, wie ich beobachte, wie man mich beobachtet, während ich mich eigentlich ganz den Werken widmen möchte. Nein, ich gebe auf, Game over.
Um mich diesem Spiel zu entziehen, gönne ich mir einen Kaffee im Vorraum und beschließe diese Zeilen hier zu schreiben. Wie immer brauche ich länger als zehn Minuten, leider. In der kläglich verbliebenen Zeit will ich dann doch noch Kunst abhaben. Die Zeilen müssen warten und sich später festig schrieben. Der zweite Versuch startet dann auch glücklicher. Ich spreche eine der Museumsmitarbeiterinnen an, stelle Fragen über den Wiederaufbau des Lipsiusbaus und bekomme meine Beobachtungen bestätigt.
Langsam merke ich, wie die Fremdheit der Umgebung von mir weicht. Ich habe den Raum besiegt! Fast also hätte ich loslegen können, die Kunst erobern können, wäre da nicht das Problem mit der Zeit. Ich komme als wieder, Lipsiusbau, und das nächste Mal nicht so unvorbereitet!
Mehr Infomationen zur Ausstellung „Jetzt hier“ findet ihr auf den Seiten der SKD
Kunst – und Künstlergespräch, jeweils 16:30 Uhr:
07. März: Curators Choice: Hauptwerke der Ausstellung – Silke Wagler, Leiterin der Ausstellung
21. März: Curators Choice: Ostdeutsche Landschaften und Fake Spaces – Mathias Wagner, Galerie Neue Meister
22. März: Schwarz / Weiß: Die großformatigen Bilder von Christiane Baumgartner – Die Künstlerin im Gespräch mit Silke Wagler
04. April: Curators Choice: Hauptwerke der Ausstellung – Silke Wagler, Leiterin der Ausstellung
11. April: GIRLS‘ SPECIAL: Sophia Schama, Rosa Loy, Julia Schmidt und die anderen – Malerinnen in der Sammlung des Kunstfonds – Susanne Altmann, Kunsthistorikerin, freie Kuratorin und Autorin (Dresden)
16. April: Absolventen der Dresdner Kunsthochschule (HfbK) in der Ausstellung, Gwendolin Kremer, Galerie Neue Meister
02. Mai: Curators Choice: Ostdeutsche Landschaften und Fake Spaces – Mathias Wagner, Galerie Neue Meister
16. Mai: Waldspaziergang mit Folgen, Holzobjekte von Dirk Heerklotz, Kai Hügel und Markus Draper – Verena Schneider, Skulpturensammlung
Abendvorträge, jeweils 19:00 Uhr:
18. April: Neo Rauch, die Leipziger Schule und die Eroberung des globalen Kunstmarktes – Prof. Dr. Frank Zöllner, Universität Leipzig
03. Mai: DRUCK FREI! Zwischen Radierung, Linolschnitt und Siebdruck. Gegenwartsgrafik aus sächsischen Ateliers in der Sammlung des Kunstfonds – Susanne Altmann, Kunsthistorikerin, freie Kuratorin und Autorin (Dresden)
17. Mai: Von legitimen und illegitimes Kindern. Zeitgenössige Fotografie aus Leipzig – Florian Ebner, Leiter der Fotografischen Sammlung, Museum Folkwang, Essen