Die beiden Kommunikationswissenschaftler Dr. Mathias König und Dr. Wolfgang König von der Universität Koblenz-Landau haben die Nutzung von Twitter im Journalismus untersucht und sich dabei auf populäre Hashtags konzentriert.
Die quantitative Auswertung korreliert mit anderen Beobachtungen, demnach Twitter nicht der Hauptkanal für Gespräche in den Sozialen Netzwerken ist. Auch wenn den Zahlen nicht die gleiche Fragestellung zu Grunde liegt, sei darauf hingewiesen, dass der Traffic, der über Twitter auf Webseite gelangt weltweit nur für 1% ausmacht. Wenn man nur die Sozialen Netzwerke und die Nachrichtenseiten der deutschsprachigen Medien betrachtet, die zusammen wohl rund ein Drittel des Traffics ausmachen, kommt Twitter innerhalb dieser Sozialen Netzwerke nur noch auf 6,9%, während Facebook mittlerweile mit 91% klar dominiert. Die Untersuchung der beiden Wissenschaftler der Uni Koblenz-Landau betrachten die Gespräche auf Twitter und nicht den verursachten Traffic. Dass gerade auf Twitter nicht komplett gleichberechtigt diskutiert wird, weil schon gar nicht alle Bevölkerungsgruppen anwesend sind, ist nicht überraschend.
Um so interessanter ist das Ergebnis, dass Journalisten allein durch eine hohe Anzahl an Tweets sich von der Rolle des Beobachters deutlich entfernen. Auch das ist nicht neu und gibt es schon seitdem Journalismus überhaupt betrieben wird. Einer Berichterstattung liegt immer eine Bewertung zugrunde, die mindestens klar stellt, ob überhaupt berichtet wird. Fragestellung: Warum ist das wichtig?
Die Medienlogik von der schlechten PR , die auch gute PR sei, da man immerhin wahrgenommen werde, beschreibt genau diesen Prozess und der ist deutlich älter als das Internet. Selbst der größte Shitstorm bringt immer noch die Chance überhaupt in einen großen öffentlichen Diskurs zu gelangen. Dinge, die nicht wahrnehmbar sind, gibt es nicht. Das ist aus Sicht der Unternehmenskommunikation viel schlimmer.
Mit der Fokusierung auf die Hashtags machen Dr. Mathias König und Dr. Wolfgang König auf eine deutliche Schwachstelle aufmerksam. Berichterstattung ist immer auch Inszenierung – Inszenierung, die Grundaufgabe von PR – und wenn man digitale Medien im gleichen Augenblick zur Messung von öffentlicher Relevanz nutzt, während man die gleiche Technik auch selbst nutzt, um Bericht zu erstatten, läuft man Gefahr in einem hohen Maße auf sich selbst zu referenzieren.
Journalisten bräuchten ein Monitoring mit dem Signal n mins x
Es gibt da einen schönen Vergleich zum Radio. Radiomoderatoren haben im Studio eigentlich permanent Kopfhörer auf, um zu hören, was letztlich neben der eigenen Stimme auch noch hinaus in den Äther geschickt wird. Dabei ist es wichtig, dass die eigene Stimme nicht mit drauf ist, man sich nicht selbst auch noch einmal hört. Das Signal auf dem Kopfhörer ist als n (für Gesamtsignal) minus 1 (minus dem eigenen Wort) bekannt.
Natürlich erkennt jeder Journalist, wenn er auf sich selbst referenziert. Schwierig wird es nur dann, wenn die eigene Quelle in Daten zerlegt, mit anderen Daten addiert, multipliziert und geteilt wird, um dann am Ende ein Popularitätsranking zu ermitteln. Genau das passiert und ist sichtbar über Hashtags auf Twitter. Wer denkt schon darüber nach wie viel man selbst in einem Ranking drin steckt? Noch schwieriger wird es, wenn man dann bedenkt, dass ein n-1 Mix nicht ausreicht, da man schließlich nicht allein mit der journalistischen Rolle an Gesprächen beteiligt ist, sondern immer eine unbekannte Anzahl x Journalisten auf Twitter nicht nur zuhören, sondern durch die eigene Berichterstattung mitreden.
PR und Journalismus gleichen sich an
Etwas, was Journalisten von Natur aus nicht gefällt, dem sie sich aber aufgrund der Technik unbedingt stellen müssen: Journalismus nutzt die Prinzipien der PR. In dem Augenblick, wo aber der Kern des Journalismus die Story selbst ist, alle die gleiche Technik nutzen und damit auf die gleichen Prinzipien im Gespräch setzen, lässt sich der Unterschied nur noch in einer Frage herauskristallisieren: Cui bono?
Unterstützt wird diese Annäherung auch von der anderen Seite und das ist zunächst einmal etwas versöhnliches. Denn gleichfalls spielen die Prinzipien des Journalismus heute eine immer größere Rolle in der Unternehmenskommunikation oder eben auch in der Kommunikation der Parteienarbeit. Transparenz, Diversität und verschiedene Betrachtungswinkel sind heute viel stärker Bestandteil der Markenkommunikation und sogar schon als Bestandteil des Markenkerns erkennbar.
Letztlich ist Twitter allein ein zu kleiner Raum, um allein anhand dieser Daten Schlussfolgerungen zu ziehen. Was wir eigentlich nicht wissen und nur schwer messen können, sind die Gespräche, die daraus folgen. „Wem ist es von Vorteil?“, ist nicht mit einer Antwort zu erklären. König und König haben aufgezeigt, dass es mindestens denjenigen nützt, die zum einen ein bereits vorhandenes öffentliches Interesse haben und in hoher Schlagzahl im Raum Twitter in Erscheinung treten. Eigentlichen ist es genau das, was PR-Manager raten.