Pius Knüse, früherer Direktor der Stiftung Pro Helvetia, heute Direktor der Volkshochschule Zürich, nennt Veränderungen die Kulturlandschaft betreffend. Seine Prophezeiung vom Ende der Optionen in der Kulturpolitik sind nicht generalisierbar und etwas merkwürdig, zumal er mit seiner Schrift selbst in diese Rolle schlüpft. Die Stichworte aber lohnen sich hervor zu heben und zu kommentieren.
Da ist zum einen diese inspirierende Gegenüberstellung vom Vorher und Heute. Waren Museen, Theater und Konzertsäle früher Orte der Muße und Vermittlung von Grundwerten seien diese heute geprägt von „ruhelose Aktivität und Selbstverwirklichungsstress“. Beginnt man allerdings das Wort „ruhelose Aktivität“ mit „Veränderung“ zu beschreiben, fängt man an zu fragen, ob zwangsläufig das Neue das Alte ersetzt hat oder nicht vielleicht nur im besten Sinne ergänzt? In der Theorie bedingen sich beide Pole. Wir brauchen die Ruhelosigkeit, um die Ruhe zu erkennen. Für möglich halte ich auch, dass die Aufgabe der Selbstverwirklichung vor allem deshalb Stress erzeugt, weil sie sich immer noch stark reiben muss an vorhergehend vorherrschenden Wert und Zielen.
Die „Vermehrung der Bühnen und Museen sowie ihre Spezialisierung machen“ spiegelt eine gesellschaftliche Veränderung wider. Diversität in der Gesellschaft wird sichtbarer und Kultureinrichtungen sind auch mittels dieser benannten Vermehrung und Spezialisierung beteiligt! Die Behauptung, dies wäre migrationsbedingt, lässt sich wiederum nicht generalisieren, bzw. sehe ich nur ein Teil der Gründe. Den Medienwandel nennt Knüse selbst, wenngleich wahrscheinlich anders gemeint.
Knüse meint, die Kulturpolitik habe ihr Ziel erreicht. Er überspitzt, wir seien „am Punkt, wo jedem sein Theater oder seine Kunsthalle zusteht, als Besucher wie als Schauspieler oder Künstler“. Die „Demokratisierung der Kreativität“, „Kultur für alle – und Kultur von allen“ sei zur Gegenwärtigen, zum Imperativ geworden. Kulturpolitik sei am Ende, „weil sich die Kunst in Subjektivität auflöst“, so Knüse. Warum aber müssen wir dann noch darüber schreiben? Politik ist ein Gestaltungsprozess. Wenn ich richtig verstehe, soll es darum gehen, dass Kultur aufgrund ihrer starken Individualisierung in großen Teilen nicht mehr politisch gestaltbar ist, sondern den vielen kleinen und mittleren Prozessen übergeben werden könne. So richtig will ich da nicht einstimmen.
„Die Genies sind tot, die Künstler Akrobaten der Individualität, Kunst ein schnelllebiges Experiment“, so Knüse. Darin aber sehe ich den Trugschluss, alles, was an Bedeutung verliert, gleich komplett auszutauschen. Problematisch am Begriff des Genies ist zunächst erst einmal der Begriff selbst, denn dieser passt nicht mehr zu einem Gesellschaftsbild, in dem Diversität zu neuer Qualität erwächst. Bei allen Unkenrufen, es gibt sie noch, die Kunst jenseits von trivial und profan. Kunst war schon immer der Subjektivität ausgesetzt, der Versuch, diese Qualität als neu zu beschreiben ist gescheitert.