Ich war bisher immer sehr damit einverstanden, die Kunst sehr unabhängig vom Künstler zu betrachten. Kunst existiert in bzw. ab genau dem Augenblick, in dem ich sie wahrnehme. Das geht Hand in Hand mit meiner durchaus vorhandenen konstruktivistischen Haltung, die Welt zu erfahren.
Gehe ich diesen Gedanken weiter, habe ich auch wenig Interesse daran der Kunst oder dem Künstler Sinn und Zweck oder gar eine Aufgabe zu unterstellen. Wenn ich es mir aussuchen darf, komme liebend gern ohne aus. Kunst, die sich vollkommen einer Verwertung entzieht, kann dem jedenfalls aus Prinzip nichts entgegen setzen.
Dass diese Herangehensweise nun doch weniger universell ist, ist mir im zweiten Teil der dreiteiligen 3Sat Dokumentation über Performance-Kunst bewusst geworden. Da bei den darin vorgestellten Künstlerinnen und Künstlern der eigene Körper nicht nur Projektionsfläche, sondern dieser auch grenzfrei allem ausgesetzt wurde, also auch einem möglichen Tod, brauchte es den Zweck als Begründung. Vorgestellt werden keine psychisch kranken Menschen, sondern Menschen, die über Performance Grenzen erforschen, um letztlich gesellschaftliche Rollen, Werte, Paradigmen und Dogmen aufzuzeigen und diese zu beeinflussen.
In der Dokumentation kommt man unweigerlich zum Ergebnis, dass ihnen das auch gelungen ist. Nur habe ich mich sehr über eine Formulierung gewundert:
„Im liberalen Klima der 1970er gelingt Performance das, was ihr Jahrzehntelang verwehrt geblieben ist. Sie wird als Kunst anerkannt und Teil des Betriebs. So auf den Dokumenta-Schauen 1972 und 1977. Ein Ritterschlag.“
Zum einen wird daraus klar, dass Performance-Künstler tatsächlich ihre Werke selbst zur Kunst erklärt haben. Es wirft zudem die Frage auf, was eigentlich heute eben auf der Vorstufe ist, also sowohl Kunst zu sein, aber noch nicht anerkannt. Da Philipp Ruch vom Zentrum der politischen Schönheit 2x kurz zu sehen und zu hören ist, ist zumindest schon darauf hingewiesen, wo heute Performance-Kunst von Bedeutung stattfindet. Es stellt sich aber auch die Frage, ob Performance als anerkannte Kunst überhaupt funktionieren kann, da sie durch den Status als anerkannte Kunst letztlich nur noch wie in Watte gepackt und abgeschirmt von der Breite der Gesellschaft stattfinden kann.
Auch unabhängig davon möchte ich die Doku empfehlen, je nach Ausstrahlung im TV, ist die Dokumentation vier Wochen im Web nachsehbar. Die dritte Folge wird am 12. Dezember ausgestrahlt.