Das Zusammenspiel der sogenannten Sozialen Netzwerke wie Facebook, oder am Anfang eben MySpace und der Kultur war für mich seit jeher geprägt von einem ambivalenten Wechselspiel zwischen leichter Hoffnung und elendigem Fluch. Spannend und rückblickend auch irgendwie hoffnungsvoll war für mich tatsächlich das frühere MySpace. Natürlich haben wir immer gelästert über die bunte Flickerei, aber es war dennoch auch ein Kunstkosmos in sich.
Was dort nämlich passierte, war etwas, was es so in der Breite unter den Kunstschaffenden heute gar nicht mehr zu geben scheint. Was MySpace bunt machte, waren individuell gestaltete Profile und damit etwas, was von den Betreibern der Plattform wohl ursprünglich so gar nicht vorgesehen war. Denn damit das eigene Profil so individuell werden konnte, bedurfte es einer Disziplin, die man am besten als ‚Hack your Space‘ beschreiben kann.
Um sehr viel mehr Farbe und auch Informationen hinein zu bringen, musste man in die Formularfelder zum Bearbeiten des Profils Unmengen an zusätzlichem HTML, bespickt mit besonders viel Inline-Styles hineinkopieren. Eine ganze Reihe dritter Websites boten damals HTML-Vorlagen, manche davon hatten sogar so etwas wie Generatoren, wo ich Farben einstellen konnte, bevor ich die generierten HTML-Schnipsel schließlich kopieren und in MySpace einfügen musste.
In einem meiner ersten Artikel, die ich hier auf Kultur2Punkt0 über MySpace schrieb, dokumentierte ich auch den Versuch, sich über die eigene Erneuerungen der wachsenden Konkurrenz Facebook zu stellen. Vergebens in mehrfacher Hinsicht. Facebook hat gewonnen ohne MySpace überhaupt nur irgendwie angreifen hätte müssen. Aber verloren haben mit jeder MySpace-Erneuerung vor allem auch die Künstler, denn es funktionierte hinterher kaum mehr einer der erlernten Hacks und MySpace-Hacking ging als Kulturtechnik schließlich komplett verloren.
Mit mehreren Eigentümerwechseln und weiteren Erneuerungen gingen dann auch so etwas wie Kommentare und die Sichtbarkeit der gesponnenen Netzwerke verloren. Dass nun herauskommt, dass MySpace Musikdaten aus acht Jahren unwiederbringbar bei einem Serverwechsel verloren hat, wen wundert das?
Insgesamt stelle ich mir nun die Frage, ob Kulturgut in den Sozialen Netzwerken überhaupt auch nur ansatzweise gut aufgehoben ist. Der alles bestimmende Steam von Facebook, Twitter und Co. ist ja quasi der Inbegriff der Erneuerung, immer wieder sprudeln neue Posts von oben nach unten. Eine längerfristige Aufbewahrung, wie wir bräuchten, um einmal etwas an die nächste Generation weitergeben zu können? Das ist zumindest nicht das ausgemachte Ziel und wenn wir uns nun nur noch auf die Sozialen Netzwerke durchklicken, werden wird es woanders auch keine relevanten Daten niederlassen.
Die Musik, die die Bands aus dem erweiterten Freundeskreis machten, war ursprünglich alle auf MySpace zu finden. Jede Band war dort. Wenn ich heute meinen Kindern erzählen möchte, wie cool das damals alles war, habe ich nun keine Belege mehr dafür. Es ist ein bisschen so, also hätten sie die Musik damals gar nicht komponiert.