Wandel ist ja immer. Wie weit der Prozess von der Abkehr eines gesetzlichen Tanzverbotes schon fortgeschritten ist, erstaunt mich abre selbst auch. Die Band Kraftklub spielte am Karfreitag ein spontan über Facebook beworbenes Konzert. Die zwei Dinge, schnelle Medien in Kombination mit Musterbruch, empfand ich berichtenswert. In meiner Einschätzung schrieb ich:
Ich gehe davon aus, dass das Beispiel von Kraftklub auch trotz jetzt folgender Strafen Nachahmer finden wird. Spätestens nächstes Jahr wird man sich fragen müssen, ob das gesetzliche Tanzverbot zu Karfreitag aufgrund der fehlenden Durchsetzungsmöglichkeit tatsächlich fallen sollte.
Meine Einschätzung scheint gar nicht so falsch zu sein, denn offenbar wertet man diesen Bruch mit den gesetzlich verankerten Vorgaben auch auf der Seite der Chemnitzer Stadtverwaltung nicht negativ. Die Freie Presse berichtet jetzt:
Die Stadtverwaltung will nach dem Guerilla-Konzert der Chemnitzer Rockband Kraftklub am Karfreitag nun offenbar doch keine Anzeige erstatten. Wie eine Rathaus-Sprecherin am Montag sagte, werde es keine Sanktionen für die Musiker geben. „Das war eine erfolgreiche Aktion und Werbung für Chemnitz“, begründete sie.
Mit die Rolle der Stadt als Konstrukt eines gesellschaftlichen Raumes tritt damit ein weiterer Standpunkt in die Diskussion ein. Die Einschätzung als erfolgreiche Aktion und Werbung für die Stadt, ist meines Erachtens die einzig richtige Einschätzung, die man in der Position der Stadtverwaltung treffen kann. Sie entspricht meiner selektiven Wahrnehmung nach in erster Linie der Wahrheit. Die Entscheidung trotz derzeit geltender rechtlicher Grundlage keine Anzeige zu erstatten, dient daher auch dem Erhalt der gesellschaftlichen Konstruktion Stadt, eine von vielen, die bekanntlich im Wettbewerb zueinander stehen.
Was wir hier beobachten können ist meiner Meinung nach nicht ein Zeichen dafür, dass die Geschichte und der Glaube an Jesu Christi an Kraft verliert, sondern ein Zeichen eines längst vollzogenen Wandels hin zu einer Gesellschaft, deren individuelles und kollektives Wissen sehr viel weniger stark durch kirchliche Strukturen geprägt wird. Ich möchte damit nicht auf die Situation der Christen und Kirchen in der DDR verweisen, sondern vielmehr auf einen medial vollzogenen Prozess der Individualisierung, der auch in allen anderen gesellschaftlichen Ebenen immer mehr eine Rolle spielt. Auch Glaube wird immer mehr individuell vollzogen. Was nicht heißt, dass man Gemeinschaft nicht mehr braucht, sondern dass Feinheiten und Nuancen viel eher sichtbar werden. Dass damit einhergehend Bestimmungen, die zusätzlich einer Interpretation unterliegen und allgemeine Festlegungen für alle treffen, hinterfragt werden, ist für mich aus dieser Sicht eine konkrete Konsequenz.
Ich würde behaupten, dass wir nicht darüber diskutieren müssen, ob wir Tage brauchen, an denen wir nicht tanzen, ob dies ein gesetzliches Tanzverbot bedarf oder ob man für den Transport dieser Wertigkeit eine zeitgemäßere Form finden kann aber schon.