Dieser Blogbeitrag verweilte jetzt schon etwas länger unter den Entwürfen und will endlich raus. Die Idee finde ich nach wie vor recht faszinierend. Es ist der Versuch, so etwas schwer fassbares, wie das Urheberrecht anhand einer Bildmetapher zu beschreiben.
Gerade für das Urheberrecht wäre das ein wichtiger Gewinn, wenn wir es gemeinsam schaffen können, noch weitere Formen für die Erklärung dessen zu finden. Als Internetnutzer sind wir tagtäglich damit konfrontiert und wir tun uns schwer damit Neuentwicklungen einzuordnen, weil es nicht auf eine Art nachfühlbares Naturgesetz wie die Schwerkraft baut. Das Urheberrecht ist eine kulturelle Errungenschaft, was in dem Zusammenhang nichts anderes heißen soll, es ist 100%ig von Menschen erdacht und geformt.
Da ich nun ausdrücklich kein Anwalt bin, möchte ich zunächst einen solchen zitieren und mit ein paar Zeilen versuchen, einen gewissen Abstraktionsgrad zu erreichen. Konkret werde ich Stephan Benn zitieren. (weiteres zur Person Stephan Benn)
Die Grundgedanken des Urheberrechts nach deutscher Rechtssprechung sind die Urheberpersönlichkeitsrechte, die anders als nach Rechtssprechung in den USA, unveräußerlich sind.
„Der Urheber bleibt immer der Urheber und hat einen Kernbereich, der immer ihm zusteht, den er auch nicht anderen weiter übertragen kann. Das sind die Urheberpersönlichkeitsrechte.“
Das Recht der Erstveröffentlichung:
„Das Urheber kann sich aussuchen, ob und wann und wie sein Werk veröffentlicht. Er hält es bei sich und wenn er meint, es ist jetzt gereift, jetzt kann ich es anderen auch zutrauen und zumuten, dann entscheidet er, wie es veröffentlicht wird.“
Das Recht als Urheber genannt zu werden:
„Ihr als Urheber gebt vor, wie ihr in Verbindung mit eurem Werk genannt werden wollt. Ob ihr ein Pseudonym benutzt, ob ihr anonym veröffentlichen wollt oder ob mit mit eurem bürgerlichen Namen veröffentlichen wollt.“
Das Recht Entstellungen zu untersagen:
„Wann immer ihr ein Werk geschaffen habt und jemand anderes nimmt dieses Werk, verändert dieses Werk in einer Art und Weise, dass der Kernbestand, der Kerngehalt des Werkes verändert wird, dann habt ihr die Möglichkeit das zu untersagen.“
Das Urheberrecht sieht Nutzungsrechte vor:
Nur die Position als Urheber alleine, macht noch nicht glücklich. Darum sieht das Gesetz erstmal Verwertungsrechte vor, das heißt es definiert körperliche und unkörperliche Formen, typische Formen und Arten der Auswertung eines Werkes und es definiert, wie wir Rechte an diesen Auswertungsarten, an diesen Verwertungsarten anderen einräumen können. Das sind die Nutzungsrechte.
körperliche Rechte: Vervielfältigungsrecht, das Verbreitungsrecht und das Ausstellungsrecht
unkörperliche Rechte: Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht, das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, das Senderecht, das Recht der Wiedergabe durch Bild- und Tonträger oder das Recht der Wiedergabe von Funksendungen
Die Verwertungsarten „sind im Gesetz nicht abschließend genannt.“, wie Stephan Benn sagt, werden im Gesetz nur beispielhaft körperliche und unkörperliche Rechte aufgezählt.
Wenn jetzt zukünftig etwas entdeckt werden sollten, eine Nutzungsform auftreten sollte, die hier nicht genannt ist, bei diesen im Gesetz genannten Rechten, dann heißt das wie gesagt nicht, dass der Urheber nicht geschützt ist. Sondern er genießt den absoluten Schutz von seinen Werken.
Vorhandene Bildmetaphern
Wer sich schon einmal mit den Crative Commons-Lizenzen beschäftigt hat, dem wird an dieser Stelle auffallen, dass man sich genau dort über Bildmetaphern Gedanken gemacht hat.
Die CC-Lizenzen bauen auf die Bestimmungen des Urheberrechts auf, etwas anderes wäre auch gar nicht möglich. Da es nun gerade darum geht, die Werknutzung zu ermöglichen, liegt der Fokus auf dem Aufzeigen der Bedingungen, unter denen ein konkretes Werk genutzt werden darf.
Das „Recht als Urheber genannt werden“ ist Grundlage und bei allen Versionen der CC-Lizenzen dabei. Die Bedingung heißt schlicht „Namensnennung„. | |
Das „Recht Entstellungen zu untersagen“ findet sich auch wieder und wird durch ein Gleichheitszeichen ausgedrückt. In der schriftlichen Variante erscheint ein „ND“ für „no derivatives“. Übersetzt heißt das schlicht „keine Bearbeitung„, das Werk darf genutzt werden, wenn es unverändert wiedergegeben wird. |
Weiter möchte ich an dieser Stelle mit der Erklärung nicht gehen, weitere Informationen über die Creative Commons Lizenzen findet man unter creativecommons.org.
Weitere Grundlagen und Historie des Urheberrechts
Um das Urheberrecht in Bildsprache zu übersetzen, versuche ich eine noch stärkere Abstraktion zu erreichen. Ich reduziere das Ganze zunächst weiter auf drei Bestandteile. Den Urheber, das Werk und die Werknutzer.
Die Intention hinter der Gesetzgebung ist der Schutz des Urhebers, nicht der Schutz des Werkes. Und bereits an dieser Stelle wird es spannend, denn es muss folgerichtig die Frage gestellt werden: „Wovor soll der Autor geschützt werden?“ Zu erkennen ist: das Urheberrecht schützt den Autor davor, dass Dritte auf das Werk zur eigenen Nutzung Zugriff haben, indem sie ihn einfach umgehen.
Dazu muss man im Hinterkopf behalten, wir greifen ständig auf die Werke Dritter zurück. Dabei nicht in überwiegender Weise in der reinen Form als Wiedergabe eines Musikstückes oder der Wiederveröffentlichung eines Textes, sondern in Form vieler tausender Werkschnippsel, die sich über Jahrhunderte oder -tausende zu einem kulturellen Hintergrundrauschen zusammengefügt haben. Täglich greifen wir darauf zurück, z.B. dann wenn wir sprechen, schreiben, Dinge tun im Alltag, zu Hause wie auf der Straße. Über das Hintergrundrauschen greifen wir auch dann auf Werke Dritter zurück, wenn wir selbst schöpferisch tätig werden. Wir stehen auf den Schultern von Riesen und sind regelrecht unfähig eigenständig schöpfen zu können.
Dieses Hintergrundrauschen Ausdruck unserer jeweiligen Kultur und kann nicht mehr den Rechten Dritter oder gar einzelner unterliegen. Das Recht auf Teilhabe am kulturellen Leben ist ein Menschenrecht. In der gleichen Atemzug wird dabei aber auch das Urheberrecht genannt.
Internationaler Pakt über wirtschaftliche,soziale und kulturelle Rechte
Art. 15
- (1) Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden an,
- a) am kulturellen Leben teilzunehmen;
- b) an den Errungenschaften des wissenschaftlichen Fortschritts und seiner Anwendung teilzuhaben;
- c) den Schutz der geistigen und materiellen Interessen zu geniessen, die ihm als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst erwachsen.
(Quelle)
Es war Johannes Gutenberg, der über die beweglichen Lettern einen technischen Fortschritt erschaffte und damit auch den ersten Schritt in das Zeitalter des Urheberrechts aufzeigte. Bereits da lässt sich die Zweischneidigkeit der Kopie betrachten. Der Buchdruck über die beweglichen Lettern brachte nicht nur die schnellere Verbreitung von Wissen. Im gleichem Atemzug wurde so auch der einfache Zugang zur Nutzung (Wiederveröffentlichung), am ungefragten Urheber vorbei, möglich. Denn für das Kopieren ist es unrelevant, ob das Original überhaupt ein Original oder eben auch schon eine Kopie ist.
Mit Gutenbergs Verfahren war es möglich geworden, umfangreiche Schriftwerke in größerer Auflage zu bezahlbaren Preisen zu produzieren. Der neuen Technik stand eine im Zuge der Renaissance gewachsene Nachfrage nach Ausgaben klassischer und moderner Schriftwerke gegenüber – die Voraussetzungen für die Entstehung von Druckindustrie und Büchermarkt waren so geschaffen.
[…]
Recht schnell tauchte auf den neu entstehenden Markt unliebsame Konkurrenz auf: die Nachdrucker. Sie besorgten sich frisch erschienene Bücher, zum Teil auch Probedrucke von noch nicht erschienenen Büchern, und druckten diese in der eigenen Werkstatt billiger nach. Der ursprüngliche Drucker stand dann vor dem Problem, dass die Nachfrage nach seinen aufwändigeren und teureren Ausgaben sank. (Quelle: bpb.de)
Durch diese Beobachtung wird eine weitere wechselseitige Abhängigkeit sichtbar. Bereits vor dem Urheberrecht gab es einen Markt und der Werk-Schöpfung stand bereits eine Werk-Distribution gegenüber. Der Vorgang des Kopierens fügt sich in dessen Mitte und führte durch die Technisierung respektive Automatisierung zu einer Entkopplung beider Vorgänge voneinander. Konkret gesagt, wurden die an den Vorgängen beteiligten Menschen zueinander entkoppelt. Durch das Kopieren der Kopie ist der Autor nicht mehr automatisch Teil des Prozesses.
Ein weiteres Wechselspiel ist zu beobachten zwischen zwei wesentlichen Zielsetzungen. Es gibt das Schöpfen und Verbreiten von Werken mit der Zielsetzung der Informationsverbreitung (Wissensverbreitung) und es gibt das Schöpfen und Verbreiten von Werken mit der Zielsetzung des Gelderwerbs (z.B. für den Lebensunterhalt).
Unter der Verwendung von materiellen Distributionswegen ist beides bis heute nicht wirklich voneinander getrennt betracht- und bewertbar. Ursache ist der ungebrochene Bezug zu endlichen Ressourcen, in erster Linie Zeit, Energie und kohlenstoffgebundene Materialien wie Papier oder Plastik. Durch die Verfügbarkeit von immateriellen Distributionswegen und Formen der Werk-Schöpfung wird aber genau diese Verbindung immer stärker hinterfragt und teilweise bereits auflöst. In Crowdsourcing-Prozessen z.B. ist der einzelne Zeiteinsatz so gering, dass er möglicherweise vernachlässigbar wird und die Wertschätzung mit einmaligem Ausgleich, finanziert über Spenden (Crowd-Donation), oder ohne Ausgleich abgegolten werden kann. Die „neue Bibel“, die Wikipedia macht genau das. Andere Überlegungen, wie das bedingungslose Grundeinkommen hätten den gleichen Effekt der Entkopplung dieser beiden Ziele.
Vom Aufbrechen der Verbindung der beiden Zielsetzungen unberührt, bleibt aber die Verbindung zwischen Autor und Werk. Begeben wir uns noch einmal zurück in die Historie der Entstehung des Urheberrechts, sehen wir da eine Aufspaltung der Bewegung, auf der einen Seite Europa und auf der anderen Seite die USA.
Den Ausgang datiert man heute auf 1709 mit dem „Statute of Anne“, welches erstmals dem Autor das alleinige Recht der Herstellung von Kopien am eigenen Werkes zusprach. Mit der Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika orientierte man sich am britischen Vorbild und verabschiedete die sogenannte „Copyrght-Klausel“. Während der französischen Revolution wurde über eine Reihe von Gesetzen in Frankreich ebenfalls ein Urheberrecht eingeführt. Dies aber wies eine weitere Besonderheit auf, die bis heute den Unterschied zwischen dem europäischen und dem US-amerikanischen Modell ausmacht.
Das französische Konzept aus der Revolutionszeit wies außerdem ein neues Element auf – die Persönlichkeitsrechte. Das Werk wurde als Ausdruck der Person des Urhebers gesehen, von dem er nie vollständig getrennt werden könne. Die Idee von unabdingbaren Urheber-Persönlichkeitsrechten war prägend für die weitere Entwicklung nationaler Urheberrechtsgesetze in Kontinentaleuropa und hat auch die deutschen Rechtsphilosophen und Gesetzgeber wesentlich beeinflusst.
Zwei Konzeptionen für das Urheberrecht
Zum Ende des 18. Jahrhunderts gab es also zwei in ihren Grundsätzen sehr unterschiedliche Urheberrechtskonzeptionen. Das im anglo-amerikanischen Rechtsraum entstandene Copyright nahm das öffentliche Interesse an Wissensproduktion und -verbreitung zum Ausgangspunkt eines zeitlich und umfänglich beschränkten, exklusiven Rechts am Kopieren von Werken.
Das französische Modell hingegen setzte den Schöpfer und seine Persönlichkeitsrechte an den Anfang; das öffentliche Interesse spielte nur eine untergeordnete Rolle. Die deutschen Länder orientierten sich infolge der historischen Entwicklung am französischen Vorbild. Die Übernahme französischen Rechts nach der Eroberung durch die Napoleonischen Truppen war dafür ausschlaggebend. (Quelle: bpb.de)
Eine Interpretation dazu wäre: Das Urheberrecht ist nicht nur Gesetz, Tinte auf Papier, sondern Ausdruck von Kultur! Wie auch immer normal das sein mag, ich halte es für wichtig, das noch einmal hervorzuheben.
Bildmetapher für das Urheberrecht
Kommen wir zurück zum Status Quo und dem Versuch dem Urheberrecht eine Bildmetapher zu geben. Metaphorisch betrachtet, macht das Urheberrecht (deutscher Rechtsprechung) zunächst genau zwei Dinge. Es Macht den Urheber sichtbar, indem es diesen in einen klaren und unlöslichen Bezug zum Werk setzt. Als zweiten Schritt greift das Urheberrecht auf den Markt über eine künstliche Verknappung ein, indem es dem Urheber das alleinige Recht gibt, über die Nutzung zu bestimmen.
Dass dies zunächst wie ein Gefängnis wirkt, ist natürlich beabsichtigt. Tatsächlich könnte man das Urheberrecht in seiner Wirkung nicht nur als Barriere für den unkontrollierten Zugriff beschreiben, sondern auch als Sichtbarriere. Das zumindest ist die harte Realität. Ein Werk kann noch so einzig- und großartig sein, das Urheberrecht tut zunächst nichts für dessen Sichtbarkeit, im Zweifel – nämlich dann wenn entsprechendes Wissen fehlt, verhindert es den einen oder anderen möglichen positiven Zufall.
Die Kritik, das Urheberrecht hindere an der Zugänglichkeit zu Wissen und Kultur, ist nicht neu und sogar, wie ich versucht habe herauszuarbeiten, fester Bestandteil. Wichtig ist dabei das Gesamtbild zu sehen, denn über das exklusive Recht Nutzung zu gewähren, soll natürlich genau das Gegenteil erreicht werden.
Königin Anne verfolgte mit dem neuen Gesetz von 1709 das Ziel, „das Lernen zu fördern“, wie es im Gesetz heißt. Das von ihr geschaffene ‚Kopierrecht der Autoren‘ – das Copyright der Autoren – war Mittel zum Zweck und diente ausdrücklich der Verfolgung des öffentlichen Interesses an gebildeten Menschen. (Quelle: bpb.de)
Die Idee dahinter könnte folgendermaßen interpretiert werden: Die Werk-Schöpfungen (künstlerisch wie wissenschaftlich) sind Grundlage für Wissen und Kultur der Gesellschaft. Zur Schöpfungs-„Natur“ gehört zwingend auch die Investition (z.B. Zeit), für die es gilt Anreize zu schaffen. Diese Anreize werden geschaffen durch eben die künstliche Verknappung. Zwingend Bestandteil sind dabei die Nutzungsrechte, die den Markt und eine kontrollierbare Schnittstelle zum Nutzer beschreiben.
Für die Bildmetapher habe ich mich entschieden, die Nutzungsrechte als Treppe darzustellen, die dabei hift, das vorher aufgebaute Hinderniss zu überwinden. Allerdings habe ich diese Treppe absichtlich etwas unpraktisch, also verkehrt herum aufgestellt. Erst durch spezielles Wissen und passende Werkzeuge gelingt es dem Urheber die ihm zur Verfügung stehenden Nutzungsrechte auch tatsächlich für sich nutzbar zu machen und einen finanziellen Wert zu schöpfen.
In der Vergangenheit hatten z.B. Verlage auch deshalb eine so große Bedeutung, weil diese sich auf die Nutzbarmachung der Nutzungsrechte spezialisiert hatten. Pessimistisch ausgedrückt, dient das Urheberrecht mit dieser Betrachtung zwar weiterhin nicht dazu, das Werk zu schützen, in seiner negativen Form, es zu betonieren, aber eben auch nicht nur dem Urheber allein, sondern nur dem Urheber, der es schafft den professionellen Strukturen der Verwertung zu dienen, bzw. die Kraft aufzubringen in einem von professionellen Strukturen dominierten Markt mit eigener Professionalität in der Verwertung zu bestehen.
Das Urheberrecht hat es geschafft, dem Verwerter zu dienen, ohne ihn zu nennen. Funktioniert hat dies bisher vor allem dadurch, weil am Markt der Konsument tatsächlich ein großes Stück beteiligt ist und eine realistische Macht hat, eine Wertedefinition mitzuschreiben.
Optimistisch betrachtet haben wir heute Hilftsmittel, die vor allem eines schaffen, dem Urheber die Möglichkeit einzuräumen, unabhängiger vom Vermarkter Entscheidungen zu treffen. Das Internet, das überhaupt erst die Selbstvermarktung im merkbaren Bereich ermöglichte und auch die Creative Commons Lizenzen stellen nicht das Urheberrecht in Frage, sondern stärken es in seiner ursprünglichen und aus meiner Sicht einzig sinnvollen Aufgaben, den Urheber in seinem Tun der Werk-Schöpfung zu stärken.