Es ist gute alte Tradition, für seine Interessen, die im Bestfall noch in denen der Allgemeinheit liegen, Fürsprecher zu gewinnen und mit diesen dann auf Entscheider mit Forderungen zuzugehen. So oder so ähnlich werden wahrscheinlich auch Verantwortliche im Theater- und Orchesterbetrieb denken, wenn sie, wie aktuell immer wieder zu sehen ist, Petitionen für den Erhalt oder zur Rettung ihrer Kultureinrichtung auf den Weg bringen.
Verständlich ist das Anliegen sehr wohl, auch ich möchte mit meiner Hochachtung für die Arbeit und den gesellschaftlichen Wert, der in Theatern, Orchestern, Museen und Opern erbracht wird, nicht sparen. Dass der Weg der Petition der richtige ist, daran habe ich allerdings so meine Zweifel. „Eigentlich geht es darum, die Relevanz von Kunst und Kultur herauszuarbeiten und einen gesellschaftlichen Konsens herbeizuführen.„, schreibt aktuell Christian Henner-Fehr. Genau so sehe ich das auch. Um es einmal ganz scharf zu formulieren und auch mit dem Vergleich zur Finanzkrise zu hantieren, unterstützen Petitionen für mich nicht die Relevanz, sondern hinterlassen viel eher noch den faden Beigeschmack einer Bitte nach dem Rettungsschirm.
Die Petition allein ist reine Zahlenspielerei
Knapp über 12.000 Unterstützer und Unterstützerinnen verzeichnet aktuell die Petition der Deutschen Oper am Rhein. „Der Fortbestand der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg, des Balletts am Rhein Düsseldorf Duisburg und des Kulturlebens der Stadt Duisburg ist akut bedroht.“, heißt es dort. In welchem Verhältnis aber stehen 12.000 gegenüber der Einwohnerzahl von 489.000 Duisburg und einer Einsparsumme von 2,5 Mio Euro pro Jahr? Auch wenn auf der Petitions-Webseite hinter den 2,5 Mio Euro in Klammern „rund 25%“ steht, vom konkreten Gesamtetat der Hauses, wie sich dieser im Groben zusammensetzt, wird nicht geschrieben und unter dem Menüpunkt „Hintergrund“ findet man nur den Hinweis, dass da noch was komme.
Petitionen liefern am Ende doch nur Zahlen, wenn die Unterstützung nicht sogar anonym geschieht, wird sich kaum jemand durch die Unterschriftenliste klicken. Und schon auch der Zahlen wegen, eine Petition kann auch nach Hinten losgehen. Zum Vergleich, die Petition zum gegen die Auflösung des Orchesters der Landesbühnen Sachsen (2011) bekam gerade einmal 3934 Stimmen, die Petition „Theater Zittau muss bleiben!“ erreichte 6860 Stimmen, für die Rettung des Theater Eisenach haben bislang 4.658 unterzeichnet, darunter gerade einmal 1440 oder 0,06% der Einwohner des Freistaates Thüringen. Relevanz ergibt sich aus diesen Zahlen eher nicht.
Online-Petitionen sind das Schlangestehen im Netz
Man sollte sich auch immer im Klaren sein, wir leben in einem pluralistisch geprägten Land. Es steht jedem Menschen frei, ob er sich für oder gegen eine Sache entscheidet. Wenn man mal einen Vergleich zur Diskussion um das Urheberrecht (neu ein Beispiel von vielen) ziehen mag, können wir froh sein, dass nicht jedem „wir-sind-die-Unterstützer“ zwei „wir-wissen-nicht-warum-wir-das-brauchen“ öffentlich in Unterschriftenlisten gegenüberstehen. Petitionen sorgen nicht für Aufklärung sondern für Polarisation.
Petitionen sind nicht nachhaltig
Was ist eigentlich aus dem Orchester der Landesbühnen Sachsen geworden? Auf der Webseite der Landesbühnen findet man jedenfalls nichts dazu. Sehr wohl lassen sich über Suchmaschinen diverse Quellen finden, die den Verlauf verfolgt haben, was aber ist der letzte Stand? Auf wen oder was verlässt man sich dort? Darauf, dass der geneigte Unterstützer und Kulturliebhaber das Geschehen regelmäßig in der Tageszeitung verfolgt? Darauf, dass man bei offenen Fragen einfach mal anruft?
So richtig und wichtig die Forderung nach dem Erhalt der Strukturen auch ist, es reicht eben nicht, „nur“ auf der Theaterbühne zu überzeugen. Relevanz erzeugt man zu allererst über Sichtbarkeit. Schlecht ist es dabei, wenn man selbst nur wenig zu dieser beiträgt. Ob die Petition von einem Mitarbeiter der Landesbühnen Sachsen gestartet wurde oder nicht, ist nicht ersichtlich. Sehr wohl ersichtlich ist aber, dass diese Petition über eintausend Mal auf Facebook geteilt wurde. Bei mir hängen geblieben ist die Petition sehr wohl. Dass in letzter Zeit Inhalte der Landesbühnen-Facebookseite, deren Fan ich seit einer ganzen Weile ich, für mich irgendeine Rolle gespielt hätte, daran kann ich mich nicht erinnern.
Petitionen bringen Sichtbarkeit, diese ohne kontinuierliche Aufarbeitung und Begleitung, z.B. über ein Blog, im Netz stehen zu lassen, kann im schlimmsten Fall das Gegenteil bewirken. Wer will sich schon gern nachsagen lassen, dass er nur zu Besuch kommt, wenn er was will?