Eine der großen Herausforderungen in der Finanzierung von Kultur ist es, die Grund- oder Fixkosten für die Organisation zu finanzieren. Das gilt nicht nur für den Bereich der öffentlichen Förderung, wo in der Vergangenheit ein Großteil der Institutionelle Förderung in Projektförderung umgewandelt wurde. Auch dann, wenn ich Projekte über Crowdfunding finanzieren möchte, habe ich über das Projekt zu einem gewissen Teil auch Ausgaben für eine Büromiete, den Computer, den Internetanschluss, das Telefon und natürlich noch den Zeitaufwand, den ich für die Planung, Bewerbung und Abrechnung des Projektes investiere, mitzufinanzieren.
Besonders schwierig ist das immer dann, wenn es um Veranstaltungen geht. Eine Vielzahl von Faktoren spielen darin mit, der größte dabei ist, dass man die Grundkosten nur prozentual auf die Tickets umschlagen kann. Bleibt der Zulauf unter dem so genannten Break-even, also dem Punkt ab dem mit der Anzahl der verkauften Tickets alle Kosten tatsächlich gedeckt sind, heißt das dann auch, dass auch Grundkosten, die getätigt werden müssen, tatsächlich nicht gedeckt sind. Besonders schwierig wird es, wenn z.B. für eine Open-Air Veranstaltung Fläche (z.B. in Form von Bauzäunen), Security-Personal, Einlassbändchen und Sanitäranlagen für 2000+ Besucher plant, aber nur 400 zahlende Gäste kommen. Zumal bei jeder größeren Veranstaltung zusätzlich mit den Einnahmen über den Getränkeverkauf gerechnet wird, die ja dann auch wegfallen.
Die Idee, Tickets über eine Crowdfunding-Plattform zu verkaufen, scheint daher ein logischer Schritt. Die meisten Crowdfunding-Plattformen funktionieren nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip. Wenn eine Veranstaltung in einer bestimmten Zeit nicht genügend Unterstützer findet, findet die Veranstaltung insgesamt nicht statt. Würde das genau so und nicht aus anderen Gründen so sein, könnte man das als Proof-of-Concept beschreiben. Zwar muss man auch bei einem Crowdfunding-Projekt Zeit und damit Geld in Planung und Bewerbung investieren, das unternehmerische Risiko würde aber erheblich minimiert.
Beispiele aus der Praxis
Event | erfolgreich | benötigt (in Euro) |
erreicht (in Euro) |
Anteil über Gegenleistungen |
Supporter |
Festival 3B (Kammermusik) | ja | 3.000,- | 3.045,- | 380,- | 15 |
ARABESQUES | ja | 2.000,- | 2.001,- | 60,- | 9 |
1st Gala Con | ja | 1.000,- | 5.656,- | 5.397,- | 111 |
/slash Filmfestival | ja | 2.500,- | 6.190,- | 6.085,- | 64 |
Ponytime im Kino | ja | 300,- | 425,- | 390,- | 20 |
Film Leben Festival | ja | 3.000,- | 3.184,- | 1.245,- | 71 |
BeVoice – Life in numbers | nein | 1.000,- | 154,- | 95,- | 7 |
Offtracks Festival | ja | 3.000,- | 3.050,- | 895,- | 48 |
FrIKK-Festival Berlin | nein | 2.000,- | 45,- | 0,- | 3 |
Filmfest rejected | nein | 2.500,- | 50 | 25,- | 2 |
Comedy Film Festival | ja | 4.500,- | 4.500,- | 1.970,- | 71 |
Shakespeare im Park Berlin presents UtopiaTM |
ja | 2.500,- | 2.626,- | 750,- | 22 |
MixTaste Genreübergreifendes Konzertprojekt |
ja | 1.500,- | 1.500,- | 510,- | 22 |
Hamburg kann…Theater!Literatur!Kunst! | nein | 1.600,- | 225,- | 92,- | 2 |
KALTSTART HAMBURG | nein | 3.000,- | 319,- | 44,- | 12 |
Der Heimsucher und der Kosmopolit | nein | 250,- | 60,- | 0,- | 2 |
Louisiana Ball | nein | 2.000,- | 80,- | 0,- | 4 |
Verkehrte Wald | nein | 1.000,- | 226,- | 170,- | 8 |
Internationale Indie Games Conference | ja | 2.500,- | 2.840,- | 1310,- | 18 |
ROHRPOST | ja | 3.410,- | 3.420,- | 855,- | 21 |
PODIUM 360 grad | ja | 4.400,- | 4.542,- | 1.145,- | 40 |
UNITHEA Deutsch-polnisches Theaterfestival |
ja | 1.111,- | 1.259,- | 184,- | 26 |
Favourites Film Festival Berlin | ja | 1.000,- | 1.000,- | 255,- | 12 |
MJWorldCry Leipzig 2011 | ja | 895,20 | 1.011,00 | 647,- | 44 |
MJWorldCry Leipzig 2012 | ja | 1.119,- | 1.152,- | 694,- | 50 |
Der Cirque Bizarre! | ja | 335,70 | 363,64 | 188,- | 19 |
fokus Festival 2011 | ja | 2.014,20 | 2.147,95 | 1.461,- | 52 |
KAOS-Kultursommer am See | nein | 1.119,- | 167,64 | 130,- | 12 |
Raumkosten für Tagung „Graffiti, Street Art, Schablonengraffiti“ |
nein | 391,65 | 20,- | 10,- | 1 |
Crossgolfen mit SMILE | ja | 268,56 | 270,- | 90,- | 6 |
„Garten der Lüste“ Ein Liederabend der besonderen Art |
ja | 600,- | 605,- | 130,- | 4 |
MONTH OF PERFORMANCE ART | ja | 2.500,- | 2.645,- | 850,- | 33 |
1. Friedenauer Hock | nein | 1.200,- | 310,- | 120,- | 6 |
Bar-Club ROOKIES | nein | 1.100,- | 71,- | 70,- | 2 |
Soliparty „Dresden Nazifrei!“ | nein | 1.000,- | 148,- | 120,- | 9 |
(alle Angaben ohne Gewähr, ggf. selbst nachprüfen, für Hinweise auf Fehler bin ich natürlich dankbar)
Anhand dieser Beispiele sieht man, dass es zwar möglich ist Veranstaltung über Crowdfunding zu finanzieren, aber in der Regel nicht zu 100%. Lediglich drei Veranstaltungen wurden über die Gegenleistungen, im direkten Sinne von Crowdfunding, finanziert. Freie Unterstützungen und Spenden werden auf den Plattformen bisher nicht gesondert angezeigt, wären in dem Sinne aber auch nicht unbedingt als Crowdfunding zu deklarieren, sondern schlicht als Spenden. Im Detail müsste man außerdem klären, unter welchen Kriterien man hier überhaupt noch von Proof-of-Concept sprechen kann, da leider nicht einfach nachvollziehbar ist, unter welchen Voraussetzungen die weiteren Gelder zusammenkommen sind. Wünschenswert wäre es, wenn die Plattformen in diese Richtung weiterentwickelt werden, im Zweifelsfalls sehe ich aber auch eine Verantwortung bei den Projektstartern dies transparent zu kommunizieren.
An welcher Stelle können Projektstarter gezielt steuern?
Bis auf wenige Ausnahmen sind Gegenleistungen in den Beispielen nicht besonders kreativ. Oft ist es der Eintritt, natürlich ist die Nennung als Unterstützer ein gern genutztes Angebot, aber selbst recht einfach zu lösende Anreize wie den Blick hinter die Kulissen findet man eher selten. Unkreativ würde das deswegen nennen, weil es meist Gegenleistungen sind, die man sonst auch auf Veranstaltungen bekommt. Der Anreiz ein Event bereits in einer frühen Phase zu unterstützen wird eigentlich mit einem Ticket allein nicht geschaffen.
Auch wenn sich technisch gesehen eine Plattform wie die Visionbakery, Startnext oder Inkobato kaum von Ticket-Verkaufsplattformen wie z.B. Amiando unterscheiden oder zumindest diese im Funktionsumfang nicht nachstehen, funktionieren diese offensichtlich nicht wirklich als solche.
An den Gegenleistungen macht sich sehr viel fest. Nicht zuletzt dort muss sich die Story wiederfinden. Ein paar wenige Ausnahmen, die mir bei der Recherche aufgefallen sind, sind folgende:
Die Secret Society beim /slash Filmfestival | Als Mitglied der „Secret Society“ erhältst du Zugang zu einem ganz besonderen Screening: an einem Festivaltag zeigen wir dir und vier von deinen Freunden (oder wen immer du auch mitbringen willst) einen Film. Einen der auch im regulären /slash-Programm gezeigt werden KÖNNTE. Es aber nicht wird. Das haben Geheimgesellschaften eben so an sich. |
Dance Machine | Wir schicken Dir eine personalisierte Videobotschaft, in der wir Deinen Namen für dich tanzen. Wirklich! |
Fahrstuhlfahrt | Ihr dürft im Fahrstuhl des Kulturhauses III&70 fahren, inklusive eigenem Liftboy/ Liftgirl. |
Welche Anreize können wie gesetzt werden?
Die Aufgabe Anreize für die Crowdfunding-Aktion zu schaffen sollte sich eigentlich nicht grundlegend von der generellen Aufgabe unterscheiden. Nicht die reine Existenz einer Veranstaltung ist die Nachricht, sondern das, was auf der Veranstaltung passieren wird.
„Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“
Antoine de Saint-Exupery (Werk: Die Stadt in der Wüste / Citadelle)
Die Sicht des Organisators kann zwar auch interessant sein, diese Geschichte aber spannend zu erzählen, ist wirklich schwieriger. Auch in der Projektvorstellung ist es bereits wichtig, etwas zu machen, was sich von anderem abhebt, etwas was Spannung erzeugt und ein individuelles Erlebnis verspricht. Tatsächlich wäre es wahrscheinlich wichtiger auftretende Künstler, helfende Freiwillige oder jemand zu Wort kommen zu lassen, der oder die bereits das Projekt finanziell oder materiell zu unterstützt. Denn aus diesen Perspektiven entstehen mit hoher Wahrscheinlichkeit viel eher auch Geschichten, die näher dran sind an den persönlichen Geschichten der Unterstützer die man zusätzlich noch erreichen möchte.
An dieser Stelle könnten tatsächlich auch die Crowdfunding-Plattformen noch einmal prüfen, ob sie ihre Erklärtexte und Fragestellungen noch individueller gestalten können. Auf Startnext z.B. wird man gefragt:
Worum geht es in diesem Projekt?
Was sind die Ziele und wer die Zielgruppe?
Warum sollte man dieses Projekt unterstützen?
Was passiert mit dem Geld bei erfolgreicher Finanzierung?
Wer steht hinter dem Projekt?
Das erinnert sehr an den Fragebogen eines Fördermittelantrages, beim Crowdfunding aber geht es nicht darum mit Fakten zu überzeugen, sondern mit der Story. Um eine Geschichte zu erzählen, geht es um ganz andere Fragen. Ein paar Beispiele:
Wer sind die Beteiligten und wie kommen diese überhaupt zum Projekt?
Wann findet das Projekt oder Event statt und warum ist das jetzt so wichtig?
An welchem Ort findet das Projekt statt und was macht den Ort so einmalig?
Was ist der zu lösende Konflikt und wie soll dieser gelöst werden?
Mit welchen „Superkräften“ sind die Protagonisten ausgestattet, das gerade sie dazu befähigt etwas zu verbessern?
Bei der Visionbakery ist man mit der Frage nach der Vision eigentlich schon etwas näher am Storytelling
„Was hast du vor und wie willst du deine Vision umsetzen.
[…]
Mach ein Video und erzähl uns von dir und deiner Vision.
[…]
Ein Video ist aber persönlicher und deine Unterstützer sehen, wer du bist, und dass du mit deinem Gesicht für deine Vision einstehst.“,
wird dort gefragt. Leider wird der Schwerpunkt dort auch darauf gesetzt, organisatorische Fakten abzufragen, die auch wichtig sind, eine Idee aber nicht unbedingt „zum Fliegen“ bringen.
Ein Crowdfunding-Projekt bewerben
Ja, es reicht nicht aus, ein Crowdfunding-Projekt auf eine Plattform einzustellen und dann zu warten. Menschen wollen überzeugt werden und das möglichst persönlich! Der Verlauf einer Crowdfunding-Aktion ist leider meist sehr ernüchternd. Es fängt stark an und flaut dann sehr schnell wieder ab. Wer sich nur auf Fakten verlässt, wird genau damit seine Schwierigkeiten haben, da Fakten beim nochmaligen Aufzählen nicht interessanter werden. Wer von vornherein sein Projekt als Story begreift, wird immer wieder Anknüpfungspunkte finden, um die Geschichte ein kleines Stück weiter zu erzählen.
Besonders interessant wird es, wenn man einen Weg findet, dass die Unterstützer zusätzlich zur finanziellen Unterstützung auch noch bei der Bewerbung der Aktion mitwirken können. Besonders inspirierend finde ich z.B. die gelben Gummistiefel des Frankfurter Städels. Mit dem Kauf dieser konnte man nicht nur finanziell unterstützen, sondern mit dem Tragen dieser auch zeigen, dass man das Neue Städel unterstützt. Ab einer gewissen Masse, sind diese Gummistiefel mit Sicherheit zu einem auffälligen Muster geworden, welches Fragen quasi vorprogrammierte und eine Mundpropaganda viral entstehen lassen hat.
kurz gesagt:
Veranstaltungen sind keine Ansammlungen von organisatorischen Verkettungen, sondern Geschichten, die ins Leben gerufen werden, von Organisatoren, Helfern, Künstlern und Zuschauern zelebriert werden und von denen man sich hinterher erzählen will. Nichts ist also logischer, als von Anfang an in Geschichten zu erzählen.