Sachsen fragt jetzt die Jugend. Über die Plattform unter der Adresse dialog.sachsen.de wird die Bevölkerung Sachsens seit Januar diesen Jahres zu verschiedenen Themen aufgefordert, sich mit Wortmeldungen zu beteiligen. Seit letzter Woche ist nun die Jugend gefragt, Meinungen, Wünsche und Visionen einzubringen. Wie auch bei den vergangen Themen wird über ein YouTube-Video in die Fragestellung eingeführt. Darin Ralf Seifert:
„Liebe junge Leute in Sachsen, ich lade euch herzliche ein mit uns, der Sächsischen Staatsregierung, zunächst online ins Gespräch zu kommen. Ich heiße Ralf Seifert und koordiniere am Bildungsministerium unter anderem Projekte mit Jugendlichen. Mich interessiert, was Euch unter den Nägeln brennt, welche Perspektiven für Eure Generation und für Euch selbst in Sachsen seht.“
Bei den vergangenen Themen war die Beteiligung nicht sonderlich hoch. Bis heute weist die Plattform gerade einmal 256 registrierte Benutzer aus. Da von der angesprochen Zielgruppe im Alter von 14 bis 27 Jahren im bundesdeutschen Durchschnitt über 95% bereits online sind (vgl.: Studien: (N)Onliner Atlas 2012 + Internetnutzung in Mitteldeutschland), dürfte zumindest theoretisch das Potential vorhanden sein, jetzt (im Sommer?) besseren Zuspruch zu erreichen.
Um die potentiell mögliche Reichweite mit ein paar Zahlen zu unterlegen, habe ich ein paar Zahlen herausgesucht. In den Tabellen des Demografiebarometers von Sachsen findet man ein paar Zahlen über den prozentualen Anteil der Jugend an der Gesamtbevölkerung im Jahr 2010 (Stichtag: 31.12.):
15 bis 18 Jahre: | 1,7% |
18 bis 21 Jahre: | 2,5% |
21 bis 25 Jahre: | 5,2% |
= 9,4% |
Weiter abgrenzen lassen sich die Daten leider nicht. Für die grobe Betrachtung reicht das aber, um von rund 10% an der Gesamtbevölkerung ausgehen zu können. (Zu Überscheidungen in den Jahren 18 und 21 kommt es nach rechnerischer Prüfung mit anderen in der Tabelle angegebenen Daten nicht, offensichtlich wurde dies nur etwas ungenau gekennzeichnet.) Laut Statistik betrug die Einwohnerzahl in Sachsen am 31.12.2010 insgesamt 4.149.477 Personen, zehn Prozent davon sind also 414.947 Personen. Die rund 95%, die tatsächlich online sind, sind nach dieser Rechnung 394.199 und rund 390.000 Personen.
Sachsen hinkt in den Mediennutzung Online hinterher
Die Zahlen einer Studie vom Institut für Marktforschung GmbH Leipzig zeigen aber, dass Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gegenüber dem bundesdeutschen Durchschnitt hinterhinkt. Während Bitkom für das gesamte Bundesgebiet für die 14- 29-Jährigen eine Beteiligung an den Sozialen Netzwerken von 91% angibt, ermittelte das Leipziger Institut für Mitteldeutschland wesentlich geringe Zahlen:
– 81 Prozent der 14- bis 19-Jährigen sind Mitglied eines sozialen Netzwerks
– 72 Prozent der 20- bis 29-Jährigen gehören zu den Nutzern der Netzwerke
(Ob es noch genauere Zahlen konkret für Sachsen gibt, ist mir bisher nicht bekannt, für weitere Hinweise darauf bin ich immer dankbar.) Angenommen, es sind nur 75% der 14 bis 27-Jährigen, die online sind, kommt man immer noch auf eine stolze Zahl von rechnerisch 311.210 und rund 300.000 Personen. Würden sich auch nur 1% am Dialog über die Plattform beteiligen, müssten das eigentlich über 3.000 Beteiligungen sein. Die aktuell drei Einträge pro Tag deuten bisher aber auf andere Zahlen.
Woran liegt es?
Die Möglichkeiten sind natürlich vielfältig. Ein Budget, um für das Angebot zum Dialog direkt zu bewerben, gibt es offensichtlich nicht. Ein direktes Konzept für eigene Präsenzen auf Facebook ist auch nicht zu erkennen. Besonders kniffelig wird die Sache natürlich zusätzlich durch die Sommerferien. Der direkte Draht des Bildungsministerium, welcher ja sonst über die Schulen über die Schulen hervorragend funktionieren könnte, ist quasi zeitgleich zum Start der Aktion aufgehoben. Schule hat – gerade jetzt am Anfang der Ferien ganz besonders – Sendepause. Wie sich die Situation über die Hochschulen darstellt, konnte ich bis jetzt nicht nachprüfen.
Bleibt also die Frage, was über die klassische PR funktioniert. Zwar wurde am 22.07. auf das neue Thema mit einer Pressemitteilung hingewiesen, aber selbst dort ist die URL nur ausgeschrieben, nicht aber verlinkt. Auch keinen Link gab es von der Sächsischen Zeitung, selbst die URL wird nicht genannt. In ganzen fünf Sätzen weist man darauf hin. Natürlich beschäftigt man sich nicht selbst mit diesem Thema, ein kleines dpa steht in Klammern dahinter. Auf den Seiten der Aktion Zivilcourage findet man auch drei Sätze, einen Quellenverweis mit Link auf die Sächsische Zeitung, nicht aber einen Link auf die Dialog-Plattform. Auch hier wird die URL nicht einmal genannt! Eigentlich möchte spätestens an dieser Stelle schreien! In mir schreit es auch. Sachsen, deine Medien, was ist hier schief gelaufen?
Ein kleiner Lichtblick, beim „Jugendsender“ MDR denkt man noch mit. Auch die LVZ schreibt. Bei beiden klingt es übrigens überdeutlich so, als hätte man gerade jetzt erst die Dialog-Plattform eröffnet. „Sachsens Regierung hofft auf einen verstärkten Dialog mit Jugendlichen und startet deshalb ein Online-Portal.“, schreibt die LVZ. Beim MDR liest man: „Dafür wurde unter www.dialog.sachsen.de ein neues Diskussionsforum eingerichtet.“. Aufwachen, Sachsen!
Alternativ dazu? Du!
Peter Stawowy berichtet bei Ottokar. Weitere Blogs? Haben wir sowas? Vielleicht hier. Wenn es doch nur mehr wäre, als die reine Pressemitteilung. Und im Blog vom Landesschülerrat Sachsen? Da klingt es stark nach Ferien. Ob da was kommt? Wenn nicht? Was hält dich eigentlich davon ab?
Screeenshot: dialog.sachsen.de