Auf Startnext kann man neuerdings in seinem Profil ein Statement über Crowdfunding abgeben, welches im Wechsel mit anderen Statements anderer User direkt auf der Startseite eingeblendet wird. Für mein Statement musste ich nicht lange überlegen.
Crowdfunding ist für mich nicht nur alternatives Finanzierungsmodell, sondern (auch) ein Werkzeug mit dem wir Miteinander vollkommen neu erfinden können.
Am Beispiel von Kulturprojekten kann man das vielleicht noch am besten nachvollziehen. In Deutschland wird der Erhalt und die Förderung von Kultur als Staatsaufgabe verstanden. In Sachsen wird das mit dem Sächsischen Kulturraumgesetz quasi noch mal doppelt unterstrichen.
So schön und wichtig das ist, es hat auch einen Beigeschmack. Wie in allen Fällen, wo Geld verteilt wird, sind Probleme quasi vorprogrammiert. Ich mag Floskeln ja überhaupt nicht leiden, aber bei der Frage wie man Geld verteilt, kann man nur sagen: „Man kann es nicht allen Recht machen.“. Es ist förmlich ein unlösbares Problem. Macht man es so, dass das Prozedere möglichst niedrigschwellig verständlich und damit nachvollziehbar ist, wird man schnell der Komplexität der Bedarfe nicht gerecht. Allerdings, je komplexer das Prozedere ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass keiner mehr versteht, auf welcher Basis die Entscheidungen getroffen werden. Die Aufgabe in der Praxis ist dann meist, beides in Waage zu halten. Komplex genug, um der Aufgabe gerecht zu werden und doch noch einfach genug, damit es überhaupt eine Chance gibt dabei durchzublicken.
Das Prozedere und die dahinter liegenden Kriterien erlangen in der Regel nicht dadurch die größtmögliche Form der Gerechtigkeit, weil sie es allen recht machen würden, sondern erst über die Möglichkeiten der Mitbestimmung bei der Entwicklung und Ausformulierung und vor allem dann über eine demokratische Abstimmung. Gerecht auf der Basis von „Man kann es nicht allen recht machen.“ bedeutet aber auch, dass Unzufriedenheiten, Neider und Lobbyismus provoziert werden.
Nun will ich nicht behaupten, dass Crowdfunding um 180° besser wäre, nein auch hier gibt es Herausforderungen und Abhängigkeiten. Das Wissen über Zusammenhänge und Strategien zu erlangen ist das eine und die Überzeugungskraft und die Reputation, die ich ganz konzentriert als Person aufbringen muss ist gleich das zweite. Ein wesentlicher Unterschied liegt aber der in dem Verhältnis zwischen den Geldgebern und denen, die über die Verteilung dieses Geldes entscheiden. Beim Crowdfunding entscheidet nämlich jeder selbst.
Wichtig ist jetzt, dass diese Entscheidungen nicht nur als persönliche Beziehungen wirken, sondern auch immer einen politischen Kontext haben. Wenn wir uns kurz von der Kultur als Beispiel wegbewegen, wird das deutlich. Tatsächlich ist es ja so, dass wir über unseren Konsum erheblich über die Beschaffen- und Gegebenheiten in der Welt mitbestimmen. Bei Nahrungsmitteln haben wir ja durchaus schon die Wahl, z.B. ob wir uns für den fair gehandelten Kaffee entscheiden, bei dem die Erzeuger angemessen entlohnt werden oder nicht. Vom Toilettenpapier über den Stromanbieter bis hin zur Frage, ob ich selbst im Inland auf das Fliegen verzichte, tagtäglich entscheiden und bestimmen wir mit.
Die Herausforderung liegt allerdings darin, überhaupt erst einmal das bessere Produkt zu finden. Die großen Konzerne ruhen sich bisher noch darauf aus, dass sie sagen, der Kunde schaue am Ende doch nur auf das Geld. Ähnlich ist es auch bei den Medien. Die breite Masse wolle es ja so, wie Bildzeitung es mache. Ich denke da anders. Die Grundlage nämlich, auf welcher derartige Vorstellungen formuliert werden, ist die Verstellung, man könne Gesellschaften mit homogenen Kulturbeschreibungen darstellen. Das Individuum aber, der einzelne Mensch, wird immer sichtbarer. Medienkonsum z.B. ist heute schon geprägt von individuellen Interessen. Crowdfunding ist in dieser Linie nur der nächste Schritt. Wir entscheiden nicht mehr nur über unseren Konsum, sondern bestimmen schon auf der Basis einer Ideen, noch bevor man uns überhaupt ein Angebot machen kann! Die Antworten auf die Fragen „In welcher Welt wollen wir leben?“ sind nicht mehr nur theoretisch, sondern können (im Kleinen) auch mal ganz schnell Realität werden.
Sollten wir daher die Finanzierung der Kultur komplett umbauen? Nein. Wie ich auch schon anderer Stelle hier im Blog geschrieben habe, ist Crowdfunding meiner Meinung nach in erster Linie für die Finanzierung von Projekten anwendbar. Gerade in der Kultur gibt es eine ganze Menge von „Hüllen“ und Infrastruktur, die man braucht, um weitere Kunst und Kultur zu ermöglichen. Um z.B. Theaterhäuser und Opern zu finanzieren, halte ich eine Finanzierung über die Steuer immer noch als das beste Mittel. Auch für den Bereich der kulturellen Bildung möchte ich nicht auf den Staat verzichten, wenngleich mir dafür auch viel einfällt, was man gerade auch über Crowdfunding möglich machen könnte. Für die Kultur haben beide Modelle Relevanz. Prüfen müssen wir jetzt, ob tatsächlich einzelne oder sogar ein großer Teil von Kulturprojekten bei der Finanzierung über Crowdfunding besser aufgehoben sind und/oder welche Mischformen sinnvoll sind.
Wo also fangen wir an? Bei kleinen Projekten: Das Jugend Jazzorchester Sachsen (kurz: JJO), welches in Trägerschaft des Sächsischen Musikrates geführt wird, sucht aktuell für eine Tour durch mehrere Bundesländer Unterstützung. Da jetzt nur noch drei Tage übrig sind, um die insgesamt 1.000 Euro zu erreichen, hat Ulrike Kirchberg, beim Sächsischen Musikrat verantwortlich für das JJO, mich um Unterstützung gebeten. Das Projekt ist meines Wissens nach mindestens in Sachsen das erste, welches aus der klassischen Kulturebene heraus sich mit Crowdfunding versucht. Ein besonders schönes Zeichen wäre es, wenn dieses Pilotprojekt nicht nur erfolgreich über Crowdfunding finanziert werden würde, sondern auch noch darüber hinaus! Macht mit! Unterstützt dieses Projekt, um ein klares Zeichen zu setzen, nicht zuletzt mit der Chance, Miteinander vollkommen neu zu erfinden.
Hier geht es zum Jugend Jazzorchester auf Startnext
Bild oben: Screenshot von der Startnext Startseite