Dresden ist nicht der heimliche Kandidat für einen Einstieg in die Top Ten der Kreativen Städte Deutschlands, das ist nicht neu. Im Gegensatz dazu weiß man in der Sächsischen Landeshauptstadt aber sehr wohl um den eigenen Rang als Kutlurmetropole. Im August letzten Jahres wurde dies formal mit einem zweiten Platz im Kulturstädteranking bestätigt. Dennoch hat Kreativität weit mehr als „nur“ mit dem kulturellen Angebot und der Pflege von Kultur zu tun. Kreativität hat zum Beispiel etwas damit zu, dass Neuem nicht mit Distanz und Abstand begegnet wird, sondern diesem Freiräume zur Verfügung gestellt werden.
Seit die Stadt wieder wächst, wird in Dresden Freiraum immer knapper. Auch verlieren Immobilien in Dresden nicht an Wert. Auch dafür gibt es ein Ranking, auf dem Dresden zwar zum Glück nicht die Spitzenposition belegt, aber immerhin gegenüber den Vorjahr einen Zähler weiter oben Platz nahm. Auf einem Podium während der Künstlermesse Dresden berichtete Verena Andreas von der Galerie Module und Kreativraumagentur von den Schwierigkeiten, eigentlich vorhandene und freie Räume zu öffnen. Teilweise seien Immobilienbesitzer schlicht nicht an irgendeiner Art von Vermietung interessiert. Auch an anderen Stellen in Dresden wird Freiraum knapper. Dem Freiraum Elbtal (an der Leipziger Straße gelegen) wurde zum Juni 2013 im Zuge geplanter und beschlossener Bebauung gekündigt. Auf der Internetseite der Stadt wird das Vorhaben mit der Überschrift „Masterplan Leipziger Vorstadt – Neustädter Hafen“ angekündigt.
Einen Masterplan stellte am Sonntag Vormittag auch Frank Neuber, Prokurist der DREWAG – Stadtwerke Dresden GmbH, für das Gelände Kraftwerk Mitte vor. Seit Jahren wird diskutiert das Areal des ehenmaligen Heizkraftwerks Dresden-Mitte als neuen Standort für die Staatsoperette und das Theater der Jungen Generation zu erschließen. Erst vergangenen Donnerstag konnte mit dem Stadtratsbeschluss zum Doppelhaushaltes 2013/2014 u.a. diesem Vorhaben grünes Licht erteilt werden.
Die Ideen und Wünsche um den Standort Kraftwerk Mitte gehen aber auch noch weiter. Bereits 2010 schlossen sich Unternehmen der Dresdner Kreativwirtschaft zu einer IG Kraftwerk Mitte zusammen, begonnen mit Diskussionen, stellten Ideen in den Raum und formulierten Zukunftszenarien. In einer Vision 2015 heißt es z.B.:
In Coworking-Bereichen finden junge Absolventen Dresdner Hochschulen und der Universität die Möglichkeit, in das Berufsleben einzusteigen und profitieren von der freien Zusammenarbeit mit den vor Ort ansässigen Firmen. Daneben tauschen sich PR-, Online- und Werbeagenturen, Redaktionsbüros, Journalisten, Texter und Grafiker auf kurzem Wege aus, reflektieren mit Gleichgesinnten Ideen und Projekte. Dieser für Dresden absolut innovative “Think Tank” wird mehr und mehr auch überregional zum bekannten und gefragten Pool an Dienstleistern für Aufträge im Bereich Kommunikation und eröffnet den Unternehmen neue Auftragsperspektiven.
Um den mittlerweile vorangetriebenen Planungsstand, Theaterentwürfe und Gesamtstrategien abzufragen, ludt die Sächsische Landesstelle für Museumswesen zur Podiumsdiskussion. Auf dem Podium saßen Frank Neuber, Prokurist, DREWAG – Stadtwerke Dresden GmbH (Eigentümerin des Geländes), Dr. Ralf Lunau, Bürgermeister, Beigeordneter für Kultur der Landeshauptstadt Dresden, Claudia Muntschick, Zweite Vorsitzende von „Wir gestalten Dresden“, Branchenverband der Dresdner Kultur- und Kreativwirtschaft e. V., Jana Reichenbach-Behnisch, Architektin und Geschäftsführerin Tapetenwerk Leipzig sowie Olaf Willuhn (Erziehungswissenschaftler, Stvtr. Leiter der Unternehmenskommunikation TLG Immobilien Berlin/ Kulturbrauerei Berlin). Es moderierte Katja Margarethe Mieth, Direktorin der Sächsischen Landesstelle für Museumswesen.
Podiumsdiskussion v.l.n.r: Frank Neuber, Dr. Ralf Lunau, Katja Margarethe Mieth, Claudia Muntschick, Jana Reichenbach-Behnisch, Olaf Willuhn (Foto: Torsten Schulze)
Wie sich im Verlauf der Diskussion bestätigte, versprach die Veranstaltung auch durch den Input aus Leipzig und Berlin spannend zu werden. Im Zentrum der Diskussion stand der Masterplan der laut Aussagen von Frank Neuber unter Anhörung und Beteiligung verschiedener Interessensgruppen enstanden ist.
Zu Beginn hob Neuber hervor, dass aus Sicht der Drewag ein Kulturkraftwerk die „einzig gute Nutzungsidee für das Areal“ sei. Der eigene Anspruch, so Neuber, sei es, das Areal als Ganzes zu betrachten und neue Gebäude an die Bestandsgebäude anzubinden. Die Freifläche ist jeweils zur Hälfte für den Theaterneubau und zu anderen für eine noch nicht näher bekannte oder entschiedene Nutzung vorgesehen. Das Areal soll von zwei Passagen durchzogen werden, eine davon parallel zur Könneritzstraße, die andere daran anschließend als Verbindung zum Eingang am Wettiner Platz. An mehreren Stellen entlang der Passagen sind Plätze vorgesehen, an den sich Menschen treffen können. Ergänzt wurden die gestalterischen Vorstellungen bisher durch eine sogenannte Lichtarchitektur, um der bisher eher „morbiden“ Erscheinung der Industriebauten etwas Spiel zu geben. Neben sehr konkreten Vorstellungen zum Verkehrs- und Parkkonzept, gibt es ausserdem konkrete Pläne, in welcher Form die Drewag auch weiterhin präsent bleibt wird. Als eine Art Ausstellungsfläche für Öko-Energiegewinnungs-Varianten sollen verschiedene Anlagen installiert werden, darunter auch kleine Windkrafträder für den urbanen Raum.
Auf Nachfrage wurden mir die Präsentationsfolien von Frank Neuber durch die Pressestelle der Drewag für die Veröffentlichung zur Verfügung stellt. Jetzt auf Google Docs ansehen.
Von Dr. Ralf Lunau wurde der Blick auf die Historie des Kraftwerkes und die Situation der Kultureinrichtungen gerichtet. Die Geschichte der Stadt, die sich in den Gebäuden auf dem Areal ausdrücke, soll durch die Neugestaltung nicht verloren gehen. Die Herausforderung bestehe darin, nicht nur ein „Museum“ zu schaffen, sondern darin zu agieren und zu leben. Für die Kreativwirtschaft blickte Lunau auf ein weit größeres Areal, welche sich nicht nur auf die Fläche des Kraftwerk Mitte beschränkte. (Nachfrage zur konrekteren Benennung ist gestellt.)
Als Olaf Willuhn danach gefragt wurde, was er denn aus dem Erfahrungen der Kulturbrauerei in Berlin mitgeben könne, fasste dieser seine Erfahrungen kurz und knapp mit den Worten „Es geht!“ zusammen. Insgesamt hatte man mit Willun nicht unbedingt einen Mann der strategischen Erklärungen vor sich, viel eher versuchte er mit Vergleichen, Anekdoten und teilweise auch mit Mimik zu antworten und zu kommentieren. In seinen Darstellungen wurde deutlich, dass die Herausforderung nicht darin lag eine Hülle zu bauen, sondern diese mit Leben zu füllen. Die Ausgangslage für das „mit Leben füllen“ waren bei der Kulturbrauerei andere. „Die ersten Ankermieter waren Leute, die ihre Art der Kultur leben wollten.“, erklärte Willuhn. Bei der Erklärung, wo diese herkamen, suchte er nach den richtigen Worten. „Man könnte sagen, es wurde besetzt, aber das gab es nicht bei der Treuhand.“, erzählte Willuhn. Das Miteinander sei wichtig. An der Kulturbrauerei gebe es regelmäßige Treffen der Mieter. Die Warnung „Macht es nicht zu schick!“ hörte man im Verlauf des Gesprächs noch einmal, kurz nachdem Neuber Zahlen zu den Investitionskosten und den angestrebten Mieten nannte.
Jana Reichbach-Benich erzählte davon, dass sie und ihr Mann in ihrem Beruf als Architekten immer wieder vor der Frage standen und stehen, wie man einen Standort für eine bestimmte Nutzung erhhalten könne. Sie erzählte es in einer Mischund aus professionellem Abstand und auch aus der Nähe, selbst jetzt Eigentümerin des Tapetenwerkes in Leipzig zu sein. Das Tapetenwerk funktioniert mit sehr günstigen Kaltmieten zwischen 2,50 Euro und 4,- Euro und Sanierungskosten von 100,- Euro pro qm. „Was an der einen Stelle ausgebaut wird und noch funktioniert, wird an einer anderen Stelle wieder eingebaut.“, erklärte sie. Funktionieren könne das ausserdem nur durch eine extrem schlanke Verwaltung. Mit ihr saß nicht nur die Eigentümerin, sondern auch die Architektin, die Bauherrin, die Vermieterin und mehrere weitere Funktionen in einer Person auf dem Podium. Lediglich die Betriebskostenrechnung sei ein Feld für Externe. Die Rendite sei ideell, so die Leipzigerin. Den eigentlichen Gewinn finde man im Think Tank.
Claudia Muntschick wurde auf die Studie zur Kreativwirtschaft Dresden und den darin enthaltenen „Kümmerer“ hin angesprochen. Sie erklärte, dass sich der Branchenverband genau aufgrund dieser Fomulierung gegründet habe. Souverän schilderte sie, was man sich unter dem Begriff Kreativwirtschaft überhaupt vorzustellen habe. Höchstwahrscheinlich stellt gerade die Kleinteiligkeit mit Blick auf das Großprojekt eine Herausforderung dar. Die Kreativwirtschaft ist nicht fassbar als große Einheit, sondern besteht aus vielen kleinen Zellen. Ein Problem sah Muntschick vor allem in der langen Zeit, die noch vergehen wird. „Wir können nicht warten, bis das Kraftwerk Mitte mal fertig ist.“, so Muntschick.
War damit schon alles in trockenen Tüchern? Für die Kreativen in Dresden nicht wirklich. Mit dem Versuch der Moderatorin, vor Ort und Stelle die Kreativen ein Stück näher an Neuber und Lunau heranzurücken, erntete sie trockene Ernüchterung. „Dieser Prozess ist wuselig und wird wuselig bleiben. Wir müssen die Kommunikation immer wieder neu erfinden.“, so Lunau. Frank Neuber ging sogar noch einen Schritt weiter und legte, sehr gut sichtbar, einen Bremsklotz vor das beinahe anrollende Rad. „Wir sind nicht in der Lage für 100,- Euro zu sanieren. Wir sind bei 2.000,- Euro pro qm. Wir sind teurer als auf der grünen Wiese.“, so Neubert. Im Endeffekt rechne die Drewag mit einer Brutto Kaltmiete von 8,70 Euro. Mit einem Verweis auf andere Plätze wie das Quartier auf der Lösnitzstraße, ebenfalls ein Drewag-Gelände und tatsächlich eine Adresse vieler Dresdner Kreativer, gab es dann noch den etwas unüberlegten Satz: „Es gibt auch Kreative, die müssen nicht hierher.“.
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Kann sich Dresden das leisten? Ist das überhaupt der Plan dieser Stadt?
Seit 2003 stieg die Zahl der in der Dresdner Kultur- und Kreativwirtschaft Beschäftigten um 20 Prozent auf circa 10.700 Erwerbstätige. Das ist ein viermal so starkes Wachstum wie in der Gesamtwirtschaft.
Die neueste Statistik zählt insgesamt 13.080 Erwerbstätige für den Wirtschaftszweig. Mit einem Anteil von über vier Prozent der Erwerbstätigen Dresdens hat die Branche ein deutliches Gewicht. Der Umsatzanteil an der Dresdner Gesamtwirtschaft beträgt 3,4 Prozent – das ist in absoluten Zahlen noch nicht sehr viel, aber deutlich mehr als im Landes- und Bundesdurchschnitt (2,1 Prozent bzw. 2,6 Prozent).
Im Oktober 2012 präsentierte sich Dresden auf der internationalen Fachmesse für Gewerbeimmobilien und Investitionen EXPO REAL als als „kreativer Ort für exzellente Ideen“. Das Areal Kraftwerk Mitte wurde dabei auch präsentiert.
Als Reaktion auf die Studie zur Kreativwirtschaft in Dresden präsentierte das Amt für Wirtschaftsförderung im September 2011 „Überlegungen zu einem Maßnahmenplan“ (PDF). Darin enthalten, drei Punkte, auf die der Fokus zu richten sei.
1. Schnittstelle organisieren
2. Räume entwickeln/Schwerpunkte setzen
3. Wahrnehmung innen + außen stärken
„Kreativwirtschaft als zentralen Baustein des Leuchtturms Kraftwerk Mitte verankern“, kann man dort nachlesen. Damit es soweit kommt, muss also wirklich die Kommunikation noch einmal neu erfunden werden, wie es Dr. Ralf Lunau sagte. Eigentlich eine Herausforderung, die man – Wenn nicht die Kreativen, wer sonst? – mit einem siegessicheren Grinsen im Gesicht annehmen sollte!
– Anmerkung: Der Autor dieses Beitrages ist Mitglied im Branchenverband „Wir Gestalten Dresden“